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Georg Britting
Sämtliche Werke  - Prosa -
Herausgegeben von Walter Schmitz

Band 1 - Frühe Werke - Seite 14

Anmerkungen

Der Römerturm

Schroff, trotzig, einsam, wetterhart dräuend und finster, gleich einem Vorposten wider den Feind, von Stürmen ewig begehrt und nie überwunden streckt er seine Mauern in die Höhe. Sie sind stolz; Jahrhunderte konnten ihnen nichts anhaben. Und starr sind sie, in jedem Stein steckt ein Stück Tradition, Tradition ist ein Mörtel, stark und fest wie Eisen. Diese mächtigen Quadern sind durch nichts aus den Fugen zu bringen. Der finstere Geselle, der sich seiner wuchtigen Größe bewußt scheint, der seine massige Gestalt schwer und dräuend aufreckt, macht ein gar mürrisches Gesicht, wenn in des Tages Lärm die Menschlein um seine Füße huschen, die Elektrische sausend vorbeiklingelt. Anderes ist er gewohnt. Der schwere Tritt der römischen Legionen liegt ihm noch im Ohr, besser behagten ihm die wilden, bärtigen Gesichter der eisengepanzerten Stadtknechte, besser die rauhen Fluchworte kommandierender, französischer Offiziere. Viel hat er gesehen und mit erlebt der ragende Koloß, Freud und Leid, gute und schlechte Zeiten im bunten Wechsel. In unsere Tage paßt er nicht recht mehr. Unser nervöses und aufgeregtes Tun sticht zu grell ab von seiner unerschütterlichen, feierlichen Ruhe. Er spürt das selber und darum blickt er des Tages über so grämlich. Des Nachts muß man ihn sehen, wenn der laute Lärm verstummt ist und die Straßen still und dunkel liegen. Von alten, längst vergangenen Zeiten träumt er dann, und die Schauer großer Taten und Ereignisse umwittern ihn. Der Mond taucht den stillen Bau in sein silbern Licht. Er  will ihn locken und sprechen machen. Aber die Mauern leuchten nur auf und werfen den Glanz zurück. Und der späte Wanderer, dessen hallende Schritte über den Platz tönen, steht in ehrfürchtigem Staunen: schwarz und drohend hebt sich der steinerne Riese vom Nachthimmel, aber um seine verwitterten Züge huscht doch ein verlorenes Lächeln, ein Lächeln, wie es alte Leute haben, wenn sie der eignen, fernen Jugendzeit gedenken.