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Georg Britting
Sämtliche Werke - Prosa -
Herausgegeben von Walter Schmitz
Band 1 - Frühe Werke - Seite 18Die Allee
Wie ein kostbarer Gürtel den Leib einer schönen Frau umspannt, so legt sich in weitgeschweiftem Bogen ein Perlenkranz von seltener Anmut um die Stadt - die Allee. Nun sie ihr Herbstkleid angelegt und das einförmige Grün ihrer Gewandung mit braunen und roten Flicken aufgeputzt hat, ist sie in ihrer farbenfrohen Pracht reizvoller denn je. Raschelndes Laub bedeckt die glatten Kleswege und die welken Blätter raunen unter den Füßen der Spaziergänger ihr uralt-ewiges Lied, vorn Sterben und Vergehen. Die blanken Sonnenstrahlen spielen durch die leicht gelichteten Baumwipfel. Der Himmel ist mattblau, mit einer Tönung ins Grünliche, manchmal fast noch sommerlich schimmernd. Ein eigener Duft von feuchtem Gras und vermoderndem Laub steigt von den Rasenflächen, die Luft ist von einer herben Frische, die stärkt und belebt und zuweilen doch kühl zusammenschauern läßt. Ein leiser Windstoß fährt in das Gezweige einer Kastanie, daß die großen, leuchtend gelben Blätter sanft schaukelnd in Scharen zu Boden wirbeln. Melancholisch klagt das Plätschern der Springbrunnen, die zu beiden Seiten des mächtigen steinernen Obelisken, »dem ersten Stifter der Anlagen, Karl Anselm, Fürst von Thurn und Taxis« errichtet, ihre Wasserkünste spielen lassen; es klingt, als wolle das einförmige Singen im nächsten Augenblick verträumt verstummen. Vom Bahnhof tönt ein schriller Pfiff herüber, man hört den Zug anfahren, die Räder knirschen, dröhnend schwillt das Geräusch an, wird schwächer, bis es mählich in der Ferne verhallt. Die Stadt, die doch so nahe liegt, scheint versunken. Vom Straßenlärm ist nichts zu vernehmen und wenn nicht die ehernen Glockenzungen die Stunden kündeten, könnte man meinen, in den weiten Parkanlagen eines abgelegenen Landschlosses zu weilen. Durchwandert man den Teil der Anlagen, die das fürstliche Schloß umsäumen und den Einblick in den wohlgepflegten Hofgarten gestatten, wird der Eindruck verstärkt. Das stolze Schloß liegt in abweisender Stille und kalter Schönheit, während die weißen Säulen des lieblichen Parkschlößchens »Fürstenruh« freundlich durch die grünen Sträucher grüßen. - Manch ein verschwiegenes, verstecktes Plätzchen lockt zum Träumen. Wenn warmes Gold die Baumstämme umkleidet und das welke Laub im milden Sonnenlicht in tieferem Glanze erschimmert, so läßt es sich gar schön sitzen und sinnen. Wie die fallenden Blätter im leichten Windhauch sinken und schweben, wandern leicht bewegt die Gedanken, zurück, zu ernsten und heiteren Bildern der Vergangenheit, vorwärts, zu den Wünschen und Hoffnungen der Zukunft.