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Georg Britting
Sämtliche Werke - Prosa -
Herausgegeben von Walter Schmitz
Band 1 - Frühe Werke - Seite 33Literatur als Ware
»Wir wollen weniger erhoben und mehr gelesen sein.« Lessing war es, dem dieser bittere Stoßseufzer entschlüpfte. Lebte er in unserer Zeit, würde er wohl noch hinzusetzen: Und vor allem wollen wir auch besser bezahlt sein. Und sicher fände er damit die allseitige Zustimmung seiner Kollegen auf dem Parnaß. Gibt es doch kaum einen freien Beruf, bei dem die Erwerbsmöglichkeiten unsicherer, von den verschiedensten Umständen und Schwankungen mehr beeinflußt wären, als den des Schriftstellers. Sei es der freischaffende Dichter, der Journalist oder der in der Mitte zwischen beiden stehende Schriftsteller, der sowohl auf Buchabsatz als auf Abnahme seiner Arbeiten durch Zeitungen rechnet ? er ist abhängig von nicht vorherzusehenden Geschmacksänderungen des großen Publikums, von der Aktuellität seiner Erzeugnisse, von einer Reihe von Zufällen, die seine Arbeit zu einer nutzlosen machen können. Dazu kommt, daß in neuerer Zeit die Zahl derer, die von dem Ertrage ihrer Feder leben, gegen früher bedeutend gestiegen ist ? weit bedeutender, als dies der natürlichen Vergrößerung des Absatzgebietes entspräche ? und daß dadurch ebenfalls die Verhältnisse ungünstig verschoben worden sind. Es ist nur zu begreiflich und warm zu begrüßen, daß man deshalb in den beteiligten Kreisen darnach strebt, die Position des literarischen Arbeiters in materieller Beziehung auf eine höhere Stufe zu stellen. Die Zeit ist vorbei, da man es als ideale Forderung betrachtete, daß der Schriftsteller in Ruhm, Anerkennung, im Gefühle seiner fruchtbaren Tätigkeit so viel Lohn und Genugtuung finden müsse, daß es ihm auf ein paar Mark Honorar mehr oder weniger wahrhaftig nicht ankommen dürfe. Kein vernünftiger Mensch wird mehr diesen Standpunkt vertreten, der in seiner vollen Absurdität von den ausübenden Literaten geradezu als Hohn empfunden wird. Die »Bemerkungen über die Wertung schriftstellerischer Arbeit«, die W. Fred im Auftrage des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller soeben unter dem Titel »Literatur als Ware« irn Verlage von Oesterheld u. Co. in Berlin hat erscheinen lassen, sind daher zur richtigen Zeit gekommen, Sie geben Anhaltspunkte, wie man der Angelegenheit energisch auf den Leib zu gehen habe. Fred setzt mit der Erkenntnis ein: In einem bestimmten Augenblick wird auch das persönlichste Kunstwerk, auch die aus dem triebhaften Empfinden geborene Dichtung Ware. An diesem Zeitpunkt gilt für sie wie fürjeden Verkaufsartikel nur ein Gesetz: die Wirklichkeit. Kein Gefühl, keine Illusion, kein Wunsch kommt gegen die Realität auf Ist das Werk Ware geworden, so unterliegt es den wirtschaftlichen Gesetzen. Und keine Stimmung, keine Poesie, keine Torheit, darf darin der materiellen Wertung, die auf offenem Markt geschieht, entgegenarbeiten. Wir müssen dafür sorgen, daß die Preisbildung der literarischen Ware nach gerechten ökonomischen und sozialpolitischen Leitsätzen geschehe.
... Damit ist der Boden gelegt, zu der einzig richtigen Bewertung des Erzeugnisses des Literaten. Und auf diesem Boden stehend entwickelt Fred, nachdem er außerordentlich scharfsinnig und eingehend die Blößen dargelegt, die der heute geltenden Wertung schrlftstellerischer Arbeit anhaften, eine Reihe von Leitsätzen, die eine Besserung dieser Verhältnisse herbeiführen sollen. Die wichtigsten dieser Minimalforderungen sind: Organisation mit gewerkschaftlichem Charakter, Angliederung einer Geschäftsstelle, die auch die Arbeit der Rechtsschutzkommission besorgen soll, Eingliederung des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller in den Reichsverband der deutschen Presse.
Fred verlangt dann Mindesttarife für Beiträge an Tageszeitungen, die sich nach Auflagenzahl und Erscheinungsort der Blätter abstufen. Er will, daß die Redaktionen verpflichtet sind, aktuelle Beiträge, die verlangt worden sind, binnen einer Frist zurückzuschicken, die vvor Entwertung der geistigen Arbeit schützt. Die Honorierung soll nach Annahme der Arbeit, nicht erst nach Abdruck erfolgen. Auch für den Verkehr mit Buchverlegern stellt Fred bestimmte Bedingungen wie: Kein Umsonstschreiben, kein Reinertragsvertrag, keine Zuschüsse der Autoren für Illustrationen, keine Auflagenverträge ohne Angabe der Höhejeder Auflage, kein Übersatz oder Freiexemplardruck nach der ersten Auflage. Freiheit des Werkes, wenn der Verlag sich weigert, eine nötig gewordene neue Auflage zu drucken, oder die Propaganda in Katalogen einstellt etc.
Ob das warmherzig geschriebene Büchlein (der Reinertrag der Schrift fällt deni »Schutzverband deutscher Schriftsteller« zu) den Erfolg haben wird, den es erreichen will: ein Beitrag zu sein, der mithilft, der Bewegung zur materiellen Flebung des literarischen Arbeiters zu nützen! Zu wünschen wäre es![1911]