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Georg Britting
Sämtliche Werke - Prosa -
Herausgegeben von Walter Schmitz
Band 1 - Frühe Werke - Seite 44
siehe auch hier
Anfänge bei den
„Regensburger Neuen Nachrichten“Anmerkungen
Liebelei
Schauspiel in drei Akten von Arthur SchnitzlerWesen und Eigenart Schnitzlers und der Dichterschule »Jung-Wien«, deren bedeutendster Könner er ist, lassen sich am besten mit den Worten charakterisieren, mit denen er einmal ein Mädchen schildert: »Ich kann dir nun einmal nicht helfen ... sie erinnert mich so an einen getragenen Wiener Walzer - sentimentale Heiterkeit ... lächelnde, schalkhafte Wehmut ... das ist so ihr Wesen.« - Das ist so das Wesen dieser feinen, nervösen Literaten, die auf den differenziertesten Reiz reagieren, die mit dem sensibelsten Empfinden nuanzierte Stimmungen auskosten, sich in sie hineinversenken, die leise, stille Worte haben auch für die große Tragik des Lebens, die allem Lauten und Rohen, und auch allem Urwüchsigen und Derben und Kräftigen fremd, mit dekadentem Unverständnis gegenüberstehen. Sie zeigen keine saftstrotzenden Reckengestalten, keine verwegenen Drauflosgänger: ihre Lieblingsfiguren sind Menschen, die der materiellen, gemeinen Not des Lebens enthoben, träumend, beschaulich versonnen, mit lächelndem Pessimismus, wie ein untätig Außenstehender dem Wirbeltanz alles Seins zusehen, die die Ereignisse mit müder Resignation an sich herankommen lassen, keinen Versuch machen, sich ihnen entgegenzustemmen. Daher sind ihre Gestalten oft so unirdisch, wie Darstellungen auf verblaßtem Seidenbrokat. Aber aus ironisch schalkhafter, heimlicher Lebensweisheit, die melancholisch zwischen den Scherzen hervorlächelt, aus schwermütiger Grazie blickt uns plötzlich manchmal doch groß und ewig das Leben an.
Arthur Schnitzler ist heuer fünfzig Jahre alt geworden. Der Repräsentant »Jung-Wiens« hat also seine Jugendtage schon hinter sich, der Herbst des Lebens steht vor ihm. Wenn man die Lebensarbeit des Fünfzigjährigen überblickt, so ist eine bestimmte, ausgesprochene Entwicklung, eine Entwicklung nach einem bestimmten Ziele hin, ein Obergangvon der (»Sturm-und Drangperlode« zur Schaffensperiode des reifen Dichters »Sturm und Drang« haben die Jungwiener ja nie gekannt!) nicht zu konstatieren. Der Schnitzler der »Liebelei« des »Anatol«, des »Reigen« ist auch der - wenn auch verkappte - Schnitzler des »Schleier der Beatrice« und des »jungen Medardus«.
»Liebelei« hat den Ruhm Schnitzlers begründet. In drei Akten wird da die Liebestragödie eines jungen Mädchens erzählt, eines Mädchens der Vorstadt, das einen jungen Mann der guten Gesellschaft abgöttisch liebt und das an dieser Liebe zu Grunde geht, als sie erfährt, daß der Geliebte im Duell für eine andere Frau gefallen ist. - Anmut und Charme und süße Melancholie verklärt das Stück, dessen beide männlichen Hauptpersonen identisch sind mit Anatol und Max aus »Anatol«.[1912]