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Georg Britting
Sämtliche
Werke - Prosa -
Herausgegeben von Wilhelm Haefs
Band 3-2
Seite 124
Kommentar Seite
470
Aus: »Das treue Eheweib«
Der Sieger
1
Der alte
Bauer saß auf der Ofenbank, in einer kurzen, dunklen Joppe, in schwarzen
Hosen und schwarzen Lederpantoffeln. Da hockte er rückenwarm und schnurrte
wie eine Katze. Er trank die Wärme, in tiefen Zügen, und sie
machte ihn wohl auch betrunken, denn sein Gesicht hatte den Ausdruck eines
Glücklichen, der sich nichts Besseres wünscht. Die Bäuerin
saß neben ihm und hatte die Hände links und rechts neben sich
auf der Bank liegen wie lederne Handschuhe. Ob sie träumten, die beiden?
Wovon mochte die Alte träumen? Vom Hühnerstall wohl, von braunen
Hennen, von rotschwarzgefleckten, und von den weißen Eiern, die sie
legen, die braunen wie die rotschwarzgefleckten. Nun zog sie die Beine
hoch und saß selbst wie eine Henne auf der Stange. Wovon träumte
der Alte? Vom Kuhstall wohl, von den Pferden vielleicht, von einem Gang
durch den Wald, den er einmal vor dreißig Jahren gemacht hatte, früh,
ganz früh, in der ersten Dämmerung, als es noch grau und kalt
war und der braunnasse Weg nicht mehr aufhörte.
Der Bauer sah durchs Fenster.
Schnee lag draußen, Januar wars, ein neues Jahr hatte begonnen. Und
dieses Jahr tat ers noch nicht! Am niedern Fenster ging jetzt eben ein
Mensch vorbei, von dem man die Füße nicht sah und nicht den
Kopf, nur den Leib vom Knie bis zu den Schultern. Das war sein Sohn, war
Franz, sein Sohn und der Sohn der Alten da neben ihm, und ihm, dem Alten,
ihm, ihm, ihm gehörte der Hof und Haus und Stall und nicht dem Menschen
da draußen!
Und der da draußen
schwarz durch den weißen Schnee ging, wie ein schwarzer Rabe, wie
ein schwarzer Unglücksvogel, der fühlte sich auch wie so ein
Flügelvieh. Der Vater wollte sich nicht zurückziehen in die Dachkammer
hoch hinauf, sich nicht aufs Altenteil setzen. Er wollte nicht und er wollte
nicht, und er tat es nicht, und blieb als Herr am Ofen in der braunen Bauernstube
und wärmte sich.
Franz hatte ein großes,
starkes Gesicht, und weil er die glatten, glänzenden, schwarzen Haare
enganliegend und tief in die Stirn gekämmt trug, sah es aus, als säße
ihm ein runder römischer Helm auf dem Kopf. Er stieg ein Stück
den Bergwald hinauf, es trieb ihn, irgendwohin zu gehen, viel zu tun war
jetzt, im Winter, nicht, und wie kleine Kähne blieben seine Fußstapfen
im Schnee zurück und schwammen hinter ihm her. Bei der großen,
alten Tanne blieb er stehen und sah über das Land hin. Hügel
waren da, leicht gewellt, und Waldungen, und fern zwei, drei spitze Kirchtürme.
Schnee war überall, und der Himmel war grau, und da unter ihm lag
der Hof, und drinnen in der Stube saß der Alte, und ging nicht heraus,
und ließ ihn nicht hinein. Was sollte man da tun? Ratlos schüttelte
Franz den Kopf. Da begann es zu schneien, und er ging schnell den Weg wieder
zurück, als fürchte er, der Schnee, der schnell und dick herabwirbelte,
könnte das Haus mit einer weißen Haube gänzlich zudecken,
und dann müßte er in der Nacht unter dem blauen, kalten Himmel
wie ein Hund immer rund um das Haus traben, eine Gasse rund um das Haus
traben, rund um den braunen Ofen tief drinnen im Herzen des Hauses.
2
Franz ging in den Kuhstall. Im
Dämmern sah er die Hinterteile der Kühe, ungeschlacht und bedreckt.
Es war warm und dunstig im Stall, und eine Kuh drehte den Kopf zu ihm,
bewegte wiederkäuend die weißlappigen Lippen und sah ihn gutäugig
an. In der Ecke stand eine Mistgabel mit fünf schwarzen, krummen Zinken,
gebogen wie Adlerschnäbel, und er faßte sie am Stiel und ging,
von einer Hand in die andere sie schleudernd, über den Hof ins Haus
und in die Stube.
Er trat vor die beiden
hin, die am Ofen saßen, und es war, als habe er ihnen vieles zu sagen,
aber dann war es doch nur ein einziger Satz: »Wann übergibst
du mir eigentlich den Hof?« Er hatte die Gabel vor sich auf den Boden
gestellt, kriegerisch die Zinken gegen das Gesicht des Bauern gerichtet,
und die beiden mittleren Zinken zielten gegen die gekniffenen Augen des
Alten. Der lachte und sagte: »Was willst du mit der Mistgabel in
der Stube?« »Ja«, sagte Franz, »die gehört
nicht hierher!« und trug sie wieder in den Stall.
Da standen alle Kühe auf,
und alle drehten ihm die Köpfe zu und kettenrasselnd sanken sie wie
huldigend wieder zusammen, breit sich hinlagernd, das demütige Volk.
Er aber begann den Stall auszumisten.
Die Bäuerin erwachte
aus ihren Träumen von braunen und schwarzrotgefleckten Hühnern.
Sie sah zu ihrem Mann hin, und wie ein rundes, weißes Ei, wie eins
der schönen, kalkigen, drolligen Dinger, die sie eben im Traum noch
gestreichelt hatte, fiel ihr ein Wort in die Hand, die sie vor den Mund
hielt. Sie sagte laut: »Übergib ihm halt den Hof! Er ist dreißig
- und übergib ihm halt den Hof!« Das Ei, das Wort-Ei, kollerte
auf die Bank, rollte hinüber zum Alten, der es zögernd ansah,
damit spielte und dann: »Nein!« sagte. »Ich bin noch
zu groß und zu breit für die Dachstube«, sagte er, »und
hier ist der große, braune Ofen, und da bleib ich, und ich weiß
nicht, wie lange noch.« Er ging in der Stube auf und ab und es freute
ihn die Wärme.
Franz hatte einen einrädrigen
Karren mit Mist beladen und die Gabel hineingesteckt und schob nun die
Fuhre zum Düngerhaufen. Aber er ließ den Karren stehen, als
er am Fenster vorbeikam, zog die Gabel heraus und schlich an die Scheibe
heran. Die Stirn preßte er fest an das Glas und sah in die Stube.
Da war die große, alte Katze, buckelnd und wärmeliebend, und
strich die Wände entlang. Die Katze war größer als eine
gewöhnliche Hauskatze, viel größer, wie eine Wildkatze
etwa, der Kopf unmäßig dick und löwenhaft und die Krallen
der großen, gummiballigen Pfoten lang und scharf. Und die Wärme
liebte sie unbändig, die große Katze, denn jetzt hockte sie
schon wieder auf der Ofenbank und schnurrte. Das Brummen klang zu ihm durchs
Fenster. Franz nahm die Gabel, trat einen Schritt zurück und warf
sie wie einen Speer durchs Fenster in die Stube. Das Glas splitterte, die
Öffnung war gezackt, wild und schön, und im braunen Boden steckten
die schwarzen Adlerkrallen der Zinken, und der lange Schaft bebte. Anfangs
bebte er so kräftig, daß die Zinken im Holz sich fest verbeißen
mußten, um nicht entwurzelt zu werden, dann wurde die Bewegung schwächer,
dann zitterte nur das Schaftende noch ein wenig, und dann stak die Gabel
stumm und unbeweglich wie eine winterkahle Topfpflanze in der Stubenmitte.
3
Der Weg, den Franz nahm, zwei
Tage später, an einem Sonntag, duckte sich krumm, als zaudere er,
die flache Höhe zu erklimmen. Er wand und schlängelte sich, machte
eine lächerliche und unberechtigte Schleife, aber besann sich dann
und lief schief und verwegen empor. In der Ferne war Wald, der sah aus
wie ein dunkles Tier mit vielen schwarzen Beinen. Der Weg stieg immer noch,
und da drehte sich wie auf einer Scheibe von rechtsherein ein Dorf, in
der Mitte der Kirchturm und eng um ihn die kleinen Häuser, und die
Scheibe drehte sich so schnell, daß, noch ein Ruck und ein Riß,
das Dorf flach geschleudert durch die Luft davonsausen mußte. Aber
jetzt hatte Franz die Höhe erreicht, und nun lag das Dorf ruhig vor
ihm, und viele Rauchsäulen, weiß und zitternd, stiegen.
An einem Tümpel kam
Franz vorbei, der war am Rand zugefroren, in der Mitte glänzte das
schwarze Wasser. Im Sommer gab es da wohl Schlangen und Frösche und
Stechmücken, aber jetzt war Winter, die Frösche schliefen, und
die graue Winterluft schwieg.
Im Wirtshaus dann setzte
sich Franz in die kleine Nebenstube, allein an einen Tisch, und trank das
dunkle, bittre Bauernbier. Im großen Saal wurde getanzt, und die
Musik und das Gestampf der Tanzenden dröhnte in sein Ohr, als ob da
nebenan eine große Mühle ginge. Da flatterte ein Rock herein,
ein wehender Rock über zwei weißen Strümpfen in schwarzen
Schuhen, dann kam ein grüner Rock, und dann ein blauer, und unter
dem blauen Rock liefen eilig rote Strümpfe. Dann war es nicht mehr
Rock nach Rock, die wie Pilze hintereinander hertrippelten, es kam auf
einmal eine Schar von Röcken und viele Strümpfe strudelten eilig.
Die Mühle nebenan
hatte aufgehört zu klappern, man hörte jetzt das Brausen des
Wassers und darüber Schrei auf Schrei. Franz stand auf und trat unter
die Tür zum Tanzsaal. Da sah man keine Frauen mehr, keine Röcke
mehr, nur Männer sah man, und die Männer wie zwei Bienenschwärme
aneinandergedrängt, zwei Schwärme, tief summend. Dann fuhren
aus den Schwärmen Arme hoch, fuchtelten, es wurde ganz still. Und
dann mußte hinter jedem Schwarm ein riesenhaftes Maul sein, das sich
auftat und blies. Prasselnd stießen die Schwärme gegeneinander
und waren schon eins. Nun rollte eine mächtige Kugel im Saal. Sie
rollte schwer ächzend in eine Ecke, schob sich entlang der Wand, rollte
schräg her in die Saalmitte, stehenbleibend, und mit neuem Anlauf
sich weiterdrehend. Franz ging lengsam und zögernd auf die Raufenden
los. Als er nahe an ihnen war, riß es ihm die Beine hoch, und dann
verschmolz er mit der Kugel, er drehte sich mit ihr, es wirbelte ihn auf
und ab. Er kämpfte wie ein Landsknecht, die dunkle Vorzeit in der
Brust, und wußte nichts von der Sache, für die er focht, und
schlug nur desto wilder um sich, und der wütende Grimm, der seit Tagen
in ihm war, löste sich und er war fast glücklich. Aber dann kam
ein Messer, das ihm in die Brust fuhr, ein Messer von irgendwoher, und
warf ihn zu Boden.
Es waren auf einmal viel
weniger Menschen im Saal, nur an den Wänden drückten sich noch
einige herum, und die Musikanten hielten rastend ihre Instrumente auf den
Knien, und in der Mitte des Raums lag Franz langausgestreckt. Sein Gesicht
war bleich, und weil es bleich war, war sein schwarzes Haar noch schwärzer
als sonst. Und Blut sah man keins an ihm, das wenige, das aus der Brustwunde
geflossen war, war schon vom Hemd aufgesogen worden und nicht durch die
Joppe gedrungen.
Zwei Burschen legten den
Ohnmächtigen auf eine Bahre und machten sich auf, ihn heimzutragen,
und einen dritten Burschen schickte der Wirt zum Arzt, ihm zu sagen, er
solle gleich nach dem Verwundeten schauen, der schon unterwegs sei zu seinem
Vaterhaus. Die Träger gingen in die Winternacht hinaus. Es war sternklar
geworden, mondhell, silberweiß, blau der Himmel, schwarz die fernen
Wälder. Die beiden Mildtätigen waren nicht ganz nüchtern,
und leicht schwankend trugen sie die Last dahin.
Sie kamen zum Tümpel.
Der sichelförmige, honigglänzende Mond hing am Himmel, und sein
Spiegelbild schwamm im schwarzen Wasser. Auf dem Eisrand des Tümpels
glitt der vordere Träger aus, stolperte, die Bahre rutschte von seiner
Schulter, Franz fiel und schlug mit den Stiefeln ins Wasser, daß
es den Burschen totenfingerkalt ins Rauschgesicht spritzte. Da ließen
sie ihn liegen, treulos, ließen ihn schlafend liegen, mit den Stiefeln
im kalten Wasser bei den schlafenden Fröschen, und rannten verstört
davon, querfeldein.
4
Der alte Bauer schlief tief,
und nur wie im Traum war ihm, daß jemand am Fensterladen geklopft
habe. Als es jetzt zum zweitenmal pochte, erwachte er und drehte schlaftrunken
das Licht an. Die plötzliche Helligkeit blendete ihn, die Würfel
des weiß und rot gemusterten Bettüberzuges schienen durcheinander
zu taumeln, so, als zerfiele das Tuch in viele Steine, und die würden
jetzt gleich klappernd zu Boden fallen und er unbedeckt dann im Bett liegen.
Der draußen klopfte ungeduldig schon wieder, und der Alte stieg brummend
nun aus dem steinigen Bett und ging zum Fenster. Der Arzt stand draußen,
der nach dem verletzten Sohn fragte. Aber der war noch nicht gebracht worden,
die Träger mußten sich verlaufen haben, oder sie säumten
rastend irgendwo, und von Unruhe getrieben machte sich der Bauer auf, ihnen
entgegen zu gehen, und die Bäuerin ging mit, und auch der Arzt.
Sie gingen suchend in
die Nacht hinaus und der Mond leuchtete ihnen, der auch den fiebernden
Verletzten am Tümpel beschien. Der seufzte im Traum und öffnete
die Augen und sah die Sichel im Blau hoch hängen und griff nach ihr
und war gar nicht erstaunt, daß sein Arm so weit reichte und er sie
zu fassen bekam. Und nun war ihm, sein Arm wäre ein langes Seil, das
vom Mond bis zum Tümpel schwang. Von den Wäldern kam ein starker
Wind gefahren, der traf das Seil, daß es wie eine Saite tönte.
Der Gesang wurde mächtiger, und nicht nur Franz hörte ihn, auch
die drei Suchenden, die von Zeit zu Zeit stehenblieben und lauschten. Wie
ein Tanzlied klang es, und alle Bauernhöfe Bayerns begannen sich zu
heben und waren wie Mägde und drehten sich wie Bräute beim Schall
des Brautliedes.
Auf allen Höhen und
in allen Tälern rührten sich die Höfe, schwer und kreisend,
und stiegen, und standen im Kranz um den Mond, und Franz sprengte es fast
die Brust vor Bräutigamssehnsucht, als er den väterlichen Hof
unter den Beglänzten erkannte.
Der Bauer und die Bäuerin
und der Arzt fanden den Vermißten nicht mehr in dieser verzauberten
Nacht, und hätten fast den Hof nicht mehr gefunden, den sie von dem
Hügel hier doch liegen sehen mußten und nicht liegen sahen.
Das ungewisse Mondlicht mußte sie getäuscht haben, denn als
sie verwirrt weitergingen, erreichten sie ihn endlich doch: der Sohn aber
war noch nicht gebracht worden.
5
Der Januar verging, der Februar
kam, und im März rieselte Wasser in allen Erdfalten talwärts.
Das Blau des Himmels war anders geworden, heller, mehr Grau darin, und
auf einmal waren auch viele weiße Wölkchen da, und Veilchen
wuchsen schon hinterm Zaun, auch an Ackerrändern, überall wo
Platz war. Auf dem gepflasterten Steig vor dem Haus war es schon heiß
im Sonnenschein, aber immer noch im Ofen brannte das Feuer, und es saß
ein Mann auf der Bank, den Rücken an den Kacheln, und trank die teure
Wärme, die draußen die Sonne umsonst ausschüttete. Aus
dem Stall kam einer, drückte das Gesicht gegen die Scheiben, und schüttelte
den Kopf, als er drinnen den weißen Menschen sitzen sah, dem das
schwarze Haar wie ein Helm tief ins Gesicht stieg. Von ihren Hühnern
kam eben auch die Bäuerin, und wie sie nebeneinander standen und durchs
Fenster beide auf den Bleichmann starrten, schimpfte der Bauer wüst.
»Am Ofen hockt er«, schrie er, »am warmen Ofen, und ich
darf arbeiten, und du darfst arbeiten!«
Franz war nicht mehr aus
der Stube zu bringen. Der Messerstich war gut verheilt, und der Arzt kam
schon seit Wochen nicht mehr. Aber die Stube verließ der Genesende
nicht. Auf der Ofenbank trank er seine Frühsuppe, dort aß er
das Mittagsrauchfleisch, aß Kraut, die Schüssel auf den Knien,
und abends aß er dort Käse und Brot. Und den Schnaps trank er
dort, und sein Gesicht blieb fahl, wie Mottenflügel, und er redete
fast nichts, und manchmal hustete er hölzern, und ins Freie ging er
nicht und stand nicht auf von der Bank.
Nur abends stieg er in
seine Schlafkammer empor. Der Mond sah durchs Fenster, und Franz stemmte
die Hände in die Hüften und ließ sich langsam, die Knie
beugend, auf die Absätze nieder und richtete sich wieder auf und befahl
sich selbst: Kniee beugt! Kniee streckt!, wie er es als Gefreiter bei den
Soldaten gelernt hatte. Oder er spreizte die Beine, streckte die Hände
nach oben, beugte sich weit vor, bis er mit den Fingerspitzen den Boden
berührte. Und er nahm den schweren Stuhl und stemmte ihn hoch, achtmal,
zwölfmal, sechzehnmal, und turnte und übte beim Mondschein, wenn
die Sterne glänzten, beim Kerzenlicht und wenn der Regen an die Scheiben
schlug. Und am Morgen saß er bleich und einsilbig am Ofen, weit weg
vom Fenster, das Gesicht ins Dunkle gereckt, fledermausverkrochen. Durchs
Stubenfenster aber starrte wütend der Bauer, sah den großen
schweren Menschen untätig dämmern, Enzian trinken und mit müden
Händen die Kacheln abtasten.
6
Es war an einem Sonntag, und
neben dem Sohn saß auf der Bank der Bauer und die Bäuerin. »Setz
dich auf die Bank vors Haus!« sagte haßerfüllt der Alte.
»Nein!« hüstelte Franz. »Die warme Luft tut dir
gut!« lockte die Bäuerin. »Nein!« sagte fröstelnd
der Bleiche. »Ich soll dich wohl hinaustragen wie ein Wickelkind?«
höhnte der Bauer. »Nein!« seufzte der Blasse. »Ich
führ dich hinaus!« versprach die Bäuerin. »Nein!«
lispelte der Fahle. Der Bauer schrie vor Wut, sein Kopf wurde rot wie ein
Hahnenkamm: »Ewig willst du da sitzenbleiben?« »Ja!«
schluchzte Franz.
Es wurde April, täglich
höher stieg die Sonne, auf den Ästen saßen die Vögel
und pfiffen, aber die Mutter legte immer noch Holz nach im großen
Kachelofen, daß Franz nicht friere. Der Alte lehnte unter der Tür.
»Ich will dir zehn Mark geben«, sagte er zum Sohn, und griff
in die Tasche. »Geh in die Stadt damit!« Franz sah ihn müd
an. »Vor einem Vierteljahr, Vater«, sagte er, »wäre
ich so hoch gesprungen.« Er zeigte es mit der Hand. »So hoch!«
Er hustete. »Geh hinaus! « brüllte der Alte. »Die
Sonne scheint draußen. Leg dich ins Gras! Lehn dich an den Gartenzaun!«
»Mich friert«, greinte Franz. »Geh hinaus!« kreischte
der Alte, »halt dich am Birnbaum fest! «Der Alte preßte
die Hände an die Kacheln, schob sich an den Sohn heran, Brust an Brust
waren sie jetzt fast. »Geh hinaus!« sagte er, und winselnd
und lockend wiederholte er: »Geh hinaus!« Beider Atem vermischte
sich.
7
Und als des Immermüden käseweißes
Gesicht auch nach Wochen noch wie der Mond in der Stube hing, und es draußen
schon Mai geworden war, schlich einmal der Alte herein und schlich um den
Ofen, und die Wut auf den Ofenplatzprinzen war so groß in ihm geworden,
daß seine Stimme, als er nun redete, sich ihm wie ein trockener Faden
im Mund verknäuelte. »Es ist Mai«, sagte er, »und
du willst nicht hinausgehen?« Der Sohn, der Erbe schüttelte
nur sanft den Kopf. Das war kein Mensch mehr, schien es dem Alten in seinem
verzweifelten Zorn, das war nur noch ein Stück weißen Fleisches,
stinkend wie eine verfaulende Katze, die man hinter den Zaun geworfen hat;
er roch es fast, und Maden und Würmer rührten sich darin, er
glaubte es zu sehen. Sollte er den müden, weißen Mann auf den
Schubkarren laden und hinausfahren mit ihm in den Mai, und hinunter ins
Dorf und zur Kirche? Sollte er ihn auf dem Schubkarren vor der Kirche stehen
lassen und sich zum Altar schleichen und dort ein Männlein aus weißem
Wachs an einem roten Band opfern, das Männlein aus weißem Wachs
an einem roten Band zu den wächsernen Herzen und Armen und Beinen
hängen, daß vielleicht ein Wunder geschehe, und der Schubkarrenmann
draußen aufspränge und ginge und liefe wie andere Menschen aus
Fleisch und Knochen und Haut?
Da versuchte der Alte
sein Äußerstes. Er stand am Fenster, mit dem Rücken zum
Fenster, und langsam, lockend Wort für Wort setzend, sagte er: »
Wie kann ich dir den Hof übergeben, wenn du nicht vom Ofen weggehst?«
Franz am Ofen zog die
Beine an, als wolle er aufstehen, und ein Schein war über sein Gesicht
gegangen, aber er stand dann doch nicht auf und maulte nur: » Ach,
der Hofl «
Der Alte hatte sich aufs
Fensterbrett gesetzt. Sein Herz schlug laut an seine Brust, als er nun
sagte: »Steh auf, und geh hinaus, und ich fahr jetzt gleich in die
Stadt und laß dir den Hof überschreiben. « Franz war aufgestanden,
langsam, und lauernd sah ihm der Bauer zu, und langsam ging der weiße
Mann zur Tür und trat durch die Tür ins Freie, und bot sein Gesicht,
das er fünf Monate im Stubendunkel verwahrt hatte, dem himmlischen
Licht. Der Alte stürzte zum Stall, zog den Gaul heraus, spannte ein,
saß auf dem Bock. »Willst du den Hof?« schrie er und
fuchtelte mit der Peitsche. Franz schien nachzudenken. »Willst du
den Hofl« schrie der Alte und sah bange auf die blassen Lippen des
Sohns. » Vielleicht! « sagte der, und »Ja! « sagte
der und trat hinter das Wägelchen, griff zu mit beiden Fäusten,
schob an, daß der Wagen dem Gaul gegen die Hinterbacken stieß,
daß der Braune einen Sprung machte, und dann schoß das Gefährt
zum Hoftor hinaus.
8
Am Abend war der Alte zurück
und ging in die Stube und legte das Papier auf die Bank. Das war weiß
wie des Sohnes Gesicht. Der las das Papier, da wurde sein Gesicht rot.
Er stand auf, schon saß der Alte auf dem noch warmen Platz. »Ja,
heute noch«, sagte Franz, »heute kannst du hier noch sitzenbleiben,
aber morgen richt ich dir unterm Dach die Austragsstube her.«
Er ging zur Stubentür,
zitterte gar nicht mehr in den Knien, streckte sich, wuchs, er füllte
fast den Türrahmen aus, und es schien, als brauche er nur die Schultern
zu recken, um die Balken aus ihrer Lage zu reißen. Mißtrauisch
sah ihn der Alte an und sagte: »Das hat dich aber gesund gemacht!«
»Ja!« sagte Franz und ging hinaus.
Die Sonne stand kreisrund
über dem Abendwald. Er ging den Gartenzaun entlang, trat in den Stall,
wo die Kühe standen und die Mistgabel in der Ecke lehnte. Er nahm
sie, das harte Holz des Stiels schmiegte sich in seine Hand, und er hielt
die krummen, schwarzen Eisenzinken nach oben. An der Decke brannte matt
das Licht, und die Schatten der Zinken standen an der Wand wie die Zacken
einer Krone.
9
In der Stube sah ihm der Alte
bös entgegen. »Das war eine gute Medizin«, sagte er. Franz
stand vor ihm, lachte. Es lockte den Alten, die Abdankungsurkunde, die
vor ihm auf dem Tisch lag, zu zerreißen, er sah schon Schnee wirbeln,
weiße Flocken die Stube ausfüllen, einen Schneewirbelsturm.
Er tat es nicht, er berührte das Papier nicht, aber die Papierflocken
wirbelten weiter, sie wirbelten dichter, er saß, es schneite ihn
ein. Schnee fiel ihm auf Kopf und Schultern und Knie. Er saß geduldig.
Die Knie wurden starr, die Hände wurden steif, der Kopf drehte sich
nicht mehr. Ein Schneemann war er, ein Eismann war er, Kohlenstückchen
im Gesicht statt der Augen. Und mit den schwarzen Kohlenstückchenaugen
sah er immer das weiße, runde Gesicht des Sohnes, der ihn besiegt
hatte.
Die Nacht kam schnell,
und mit der Nacht der Mond. Franz ging durch alle Räume des Hauses,
ging über alle Treppen. Vom Dachboden aus schwang er sich durchs Fenster
aufs Dach, saß rittlings am First. Der gelbe Mond hing über
ihm, und vom Zaun sah er jede einzelne Latte. Im Birnbaumgezweig flatterte
ein Vogel. Franz saß am Dach und sah über sein Königreich
hin, sein Haarhelm glänzte, und er schlug mit den Händen das
Dach wie ein Pferd, das man antreibt.
Drucknachweise und Anmerkungen:
S.124 Der Sieger
Eine erste Fassung erschien u.d.T. DerKronprinz. Eine Novelle,
mit Illustrationen von Otto Nückel, in: Jugend, 32, 1927, S.235-239
[5.März]. [E]
Zuvor war der erste Teil der Erzählung (bis S.127, Z.17) u.d.T.
Kronprinzentragödie
erschienen in: Stadtanzeiger für Köln und Umgebung, 16.5.1925,
Beil. Der Erzähler, Nr.2o, 16.5.1925. - U.d.T
Gib ihm den Hof.
wieder in: Stadtanzeiger für Köln und Umgebung, Nr.614, 4.12.1932.
Der mittlere Teil der Erzählung (die Episode im Wirtshaus mit
der Stichverletzung des ›Kronprinzen‹ Franz: S.128, Z.5 - S.131, Z.10)
erschien, u.d.T. Die Rauferei, bereits leicht überarbeitet
gegenüber der Jugend-Fassung (z.B. »Franz« statt »Kronprinz«),
in: Frankfurter Zeitung, Nr.338, 8.5.1927. Erweitert ist hier auch die
Passage S.13o, Z.17- S.131, Z.l0, die im Erstdruck noch fast völlig
fehlt (zit. weiter unten).
Die Jugend-Fassung wurde von B. nicht im Handlungsablauf verändert,
aber doch gründlich überarbeitet im Blick auf Strukturierung
und Konzentrierung; auch hob B. den vor allem durch die Nomenklatur »Kronprinz«,
»König«, »Königin« bewirkten Widerspruch
zwischen Märchenmotivik und realistisch gestalteter, bäuerlicher
Stoffwelt auf, indem er als Figurenbezeichnungen »Franz« sowie
der und die »Alte« einführte.
Im folgenden werden die für die Tendenzen der Überarbeitung
besonders charakteristischen Passagen der früheren Fassung angeführt.
Die Erzählung setzt anders ein:
Die vorherrschende Farbe ist ein dunkles Braun, wenn auch die Wände
gelblich gestrichen sind. Denn die Wände sieht man nur zu einem Drittel,
nur zum oberen Drittel, weil die Holzvertäfelung so hoch emporsteigt.
Und diese Holzvertäfelung hat die Farbe eines dunkelbraun gebratenen
Schweinsrückens, glänzend wie er, und Bank und Tisch und Stühle
sind braun, und braun wie die Haut verhutzelter Birnen sind die Gesichter
der beiden, des Alten und der Alten. Er sitzt auf der Ofenbank
Bis S.124, Z.19 (= erster Absatz) ist diese Fassung im Präsens
geschrieben. S. 124, Z.2o-24: Der Bauer [...] Schultern. E: Er sah durchs
Fenster. Schnee draußen, Januar, ein neues Jahr. Dies Jahr tat er's
noch nicht! Am Fenster ging ein Mensch vorbei, ein hochgewachsener Mensch.
Die Fenster waren niedrig. Von dem Menschen draußen sah man nicht
die Füße und nicht den Kopf, nur den Leib vom Knie bis zu den
Schultern. Der Mensch ging eilig am Fenster vorbei, auch am nächsten,
dann war er weg. In diesem Jahr tat er's nicht, der Alte.
S. 124, Z.29-5.125, Z.12: Und der da [...] und schwammen hinter ihm
her. E: Und draußen ging der Kronprinz über das verschneite
Feld. Er trug ein großes, starkes Gesicht und glänzende, glatte
Haare tief in die Stirn. Er ging über das Feld und stieg den Bergwald
hinauf, und hinter seinen Tritten blieben wie kleine Kähne seine Fußtapfen
zurück und schwammen wie eine Flotte von Schleppkähnen hinter
ihm her, hinter dem Dampfer her, der sie zog.
S.125, Z.18f: Was sollte [...] schüttelte Franz den Kopf. E: Was
konnte man dagegen tun? Man konnte einen Schneemann bauen, mit einem dicken
Bauch, einem kugelrunden Kopf, mit ein paar schwarzen Holzstücken
als Augen und einem Stein als Nase, und dann konnte man mit den Stiefeln
dem Schneemann in den Bauch treten, ihm die Nase krumm schlagen, ihn umschmeißen
zuletzt und auf ihm herumtrampeln. Oder man konnte Schneebälle drehen
in der Hand, die davon rot wurde, und konnte nach den Raben werfen, die
schwerschleppend dicht über den Boden hinflogen. Und wenn man sie
traf, und sie waren schwer zu treffen, so berührte das die alte Katze
am braunen Ofen nicht. Denn die Katze konnte man nicht treffen. Das große,
schwere Gesicht des Kronprinzen mit dem glänzenden Schwarzscheitel
drehte sich ratlos hin und her. Wenn er die Hand zwischen die Augen und
den Hof brachte, sah man das Haus nicht mehr. Nur mehr den schwarzen Zaun.
Der blieb.
S.126, 2.3-6: Er trat [...] den Hof? E: Da schnurrten am Ofen die beiden
Katzen, und der Kronprinz stand vor ihnen und er begann mit ihnen zu reden.
So sagte er zu ihnen, und sein glänzendes, schwarzes Haar, das tief
und glatt in seine Stirn herabstieg, war wie ein römischer Helm: Ich
möchte die Regierung antreten. Daliegt das Reich mit den vielen Provinzen,
und hier halte ich Zepter und Schwert, die dir, alter, lahmer König,
längst zu schwer sind. Dasitzt ihr auf dem Thron, du Scheinkönig
und du Scheinkönigin! Herunter, und laßt mich hinauf, eingehüllt
in den Purpur der blauen Arbeitsschürze!
S.127, Z.24 - S.128, Z.1: Beinen. Der Weg [...] schwarze Wasser. E:
Beinen, das waren die Stämme, und mit einem weißen Fell, das
war der Schnee, der auf den Ästen lag. Ein langgestreckter Schneefuchswald
lief er schnell am Horizont, gebogen wie der, und mit dem Kopf war er schon
drüben, auf der anderen Seite, aber der Leib und der Schwanz war noch
zu sehen, geschmeidig, gekrümmt und in scharfer Gangart. Als der Kronprinz
die Höhe erstiegen hatte - der Weg konnte nicht entkommen, alle Kniffe
und Windungen halfen ihm nicht, er mußte hinauf, und nun war er droben
- drehte sich schnell von rechtsherein ein Dorf, wie auf einer Scheibe,
in der Mitte der Kirchturm, um ihn Häuser, und die Drehscheibe drehte
sich so schnell, daß der Schwung die Häuser dicht an die Kirche
heranwarf, und da klebten sie nun zusammen. Die Drehung hörte knapp
noch auf, denn noch ein Riß und ein Ruck, und Dorf und Kirche und
Häuser wären flach abgeschleudert wie ein Papierteller in die
Luft hineingesaust, schräg und pfeifend, und vielleicht hinterm Horizont
in einen Wald geplumpst, Äste abbrechend, schwer atmend, maßlos
bestürzt. Nun, das war nicht eingetreten, das Dorf lag ruhig, und
viele Rauchsäulen, weiß und zitternd, knäuelten sich in
die Höhe. An einem Tümpel ging der Kronprinz vorbei, der war
am Rande dünn zugefroren, dann kam schwarzes Wasser, wie dunkler Schnaps,
ölig, glänzend, sicher schliefen da Frösche.
S.129, Z.1-14: für die er focht, und schlug nur desto wilder [.,-.]
Joppe gedrungen. [/] Zwei Burschen E: für die er focht, und schwang
den Zweihänder und schoß Pfeile und warf Handgranaten und schlug
um sich. Unter seinen Füßen kam eine Welle herangerollt, aber
die war wie aus Stein gebildet und trug ihn, und auf ihr stand er und siegte.
Aus dem Haufen der Gegner, aus dem Schützengraben der Franzosen, aus
der Sappe der Engländer fuhr eine Schlange, blau, scharf, blitzend
und blinzelte tückisch und froh und stach ihn in die Brust. [/] Es
blies, es trompetete, es schmetterte. Die Schlacht war aus, die Flieger
kreisten, die Kämpfer waren versprengt, die Schlange wieder in ihr
schwarzes Lederloch zurückgekrochen, und der Kronprinz lag langausgestreckt
in der Mitte des Saales. Da war sein schwerer Leib, der bäumte sich
hoch und massig wie ein Gebirge, und die langen Beine waren da, die steckten
unten in hohen Stiefeln, aber die Stiefel liefen nicht über Berg und
Tal, sondern träumten untätig. Das Gesicht war da, bleich, und
weil es bleich war, war das schwarze Haar noch schwärzer, und die
Augen waren geschlossen und eingesunken wie kleine Mulden, wie dunkle Mauslöcher,
wie schwarze Rattenlöcher, und Blut floß fast keins, denn das
wenige, das floß, wurde vom weißen Hemd getrunken, und bis
es noch durch die Joppe sich schluckte, verebbte das Fließen. [/]
Man fürchtete die Feldgendarmerie, die Polizei, und zwei Burschen
S.i29, Z.3o-33: spritzte [...] querfeldein. E: spritzte. Der Kronprinz
blieb liegen, die Stiefel waren nahe dem Mond, der wie eine entenschnabelige,
gelbe Gondel schaukelte. Die beiden Träger aber rannten verstört
querfeldein. Die Kronprinzenstiefel staken bei den schlafenden Fröschen
und die davonstürzenden, davonstrauchelnden, davontorkelnden Betrunkenen
liefen komisch in die unbekannte Welt.
S. 13o, Z. 17 - S. 131, Z. 10: E: So gingen sie suchend hinaus in die
Nacht, in der die zwei Betrunkenen keuchend den Weg verloren hatten, durch
die Acker stolperten, ohne Weg, ohne Ziel, immer fort.
S.132, Z.9: Bank. [/] E: Bank. Der alte Bauer lärmte umher in
Hof und Stall, und die Bäuerin war bei den Hühnern, und Knecht
und Magd taten ihr Tagwerk, nur der Kronprinz wurde täglich dicker
und täglich weißer im Gesicht.
S.133, Z.4: Tür. E: Tür. Des Königs Gesicht war braun
wie Birnbaumrinde, mit vielen Falten, und die kleinen Augen lagen in den
Gruben wie rote Füchse. Des Kronprinzen Gesicht war rund und faltenlos,
die schwarzen Haare glänzten, und seine Augen waren beharrlich und
still.
S.133, Z.16: vermischte sich. E: vermischte sich. [/] Der Kronprinz
mochte nicht. Der Alte packte ihn an der Brust, er keuchte. Er hob den
Prinzen hoch, und der ließ sich heben. So geh doch, jammerte er.
Und als der wieder nein sagte, ließ der Alte von ihm ab, schoß
hinaus, wütend am Fenster vorbei wie ein schwarzer Pfeil. [/] Der
Kronprinz war allein. Er setzte sich am Ofen fest, als wolle er ihn nie
mehr verlassen. Das war seine Festung. Er war verproviantiert, kein Sturm
sollte ihn hinausschmeißen, alle Wälle hielten, die Gräben
waren tief, der Alte konnte nicht herankommen.
S. 134, Z. 7-17: Haut? [/] Da versuchte [...] und ich fahr E: Haut,
und keine stinkende Fleischkugel mehr sei? [/] Der König überblickte
sein Reich. Er besah seinen Purpur und wog den Herrscherstab in der Hand
und empfand den Purpur schwer auf den Schultern und das Zepter schwerer.
Und er nahm den Purpur und legte ihn vor die Füße des Ofenhockers,
und mit dem Zepter stieß er ihn vor die Brust und sagte: Ich will
dir den Hof übergeben! [/] Aus der Fleischkugel streckten sich wie
die Fühlhörner einer Schnecke zwei Arme und zwei Beine, streckten
sich, und der Kronprinz stand. Er drehte sein breites Gesicht zum König,
aber dann setzte er sich wieder und maulte: Ach, der Hofl Dem König
wackelte das Zepter in der Hand, und mit den Füßen trat er in
die Purpurschleppe. Aufeiner goldenen Schüssel hielt er dem Kronprinzen
die Schlüssel, die mächtigen und krausbärtigen Schlüssel
der Herrschaft hin und sagte lockend: Nimm! Und der Kronprinz streckte
eine fleischige Hand aus mit weißen Fingern und hob einen Schlüssel
auf und ließ ihn klappernd wieder stürzen in das Schlüsselrund
und maulte: Ach! Da warf sich der König in die Knie, und sein Herz
schlug dröhnend, und weinend bat er: Geh hinaus in den Mai, und ich
fahr