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Das Fest der
Vierhundert
Aus Georg Britting, Sämtliche Werke, Band 1 - Frühe Werke - "Der verlachte Hiob" Seite 109 - List Verlag - München |
zum Band 1
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Das Fest der Vierhundert
Am roten Morgen des Fronleichnamstages erschlugen die meuternden Sträflinge
den General und die Offiziere. Neruda, der Anführer, ließ Branntwein
verteilen und gab die weißhäutigen Frauen frei. Sie erlagen
der tödlichen Umarmung der Vierhundert. Taumel und Tanz der Befreiten
wandelte sich in Verzweiflung, als gegen Mittag vier königliche Segler
in Sicht kamen. Die Wut der Ruderknechte sprang wie ein böses Tier
Neruda an. Sie würgten ihn, spieen ihm ihre Galle ins Gesicht und
banden ihn am Maste fest. Auf den Knieen und mit erhobenen Händen
heulten sie den Soldaten des Königs entgegen. Spangen schlossen sich
wieder um Knöchel, die einen halben Tag mit blassen Ringen gelöster
Fesseln geprahlt hatten. Achtundvierzig Stunden später liefen die
Schiffe den Hafen der Hauptstadt an und schon nach weiteren drei Tagen
wurde an den Meuterern das Strafgericht vollzogen. Auf dem großen
Platz hatte man zehn Galgen auf-gerichtet. Die Häuser waren zum Fest
geschmückt. Girlanden wanden sich und Kränze. In den Fenstern
lag das Volk und brüllte vor Ungeduld. Der König selbst hatte
mit kleinem Gefolge auf einer Estrade Platz genommen. Er naschte von südlichen
Früchten, die in einer geschliffenen Schale vor ihm standen. Damen
des Hofes entfalteten klirrende Fächer. Die Vorbereitungen waren so
getroffen, daß immer fünfzig der Verbrecher gleichzeitig hinge-richtet
werden konnten, je fünf an einem Galgen. Man hatte den Gerüsten
eine besondere Form ge-geben, derart, daß zwei Stützpfosten
von etwas über Mannshöhe durch einen starken Querbalken verbunden
waren. Auf niederen Karren, von Pfer-den gezogen, denen zwischen den Ohren
rote Federbüsche blühten, rasselte der Zug der ersten fünf-zig
aus dem Tor des Gefängnisses. Als auf die Verurteilten der Glanz des
blauen Himmels fürchter-lich eindrang, als sie das Grün der Kränze
flattern sahen und taumeln die schwarzen Rechtecke der Galgen, zerbrachen
sie in einem Schrei, der fröhlich von dem Jubel des Volkes aufgenommen
und wei-ter getragen wurde. Die Schlinge des Stricks, die von ihrem Hals
baumelte, mußten sie selbst an den riesigen Nägeln der Balken
befestigen. Die Knechte rissen ihnen die Treppen unter den zitternden Füßen
fort. Sie zuckten wie Aale an der Schnur. Man-che griffen mit leeren Händen
um sich, als wollten sie Wasser schöpfen. Andere liefen mit schnellen
Beinen einen steilen Berg empor. Aber bald hingen alle wie tote Schläuche.
Während man sie abschnitt und ihr warmes Fleisch auf den kreischenden
Kar-ren wegfuhr, züngelte aus dem Gefängnistor schon die Schlange
der nächsten fünfzig. Straßenverkäufer boten Orangen
feil. Die gelben Kugeln flogen von Hand zu Hand. Stutzer ließen sie
schimmernd stei-gen zu Fenstern, aus denen Mädchengesichter sich neigten.
Die brechenden Augen der Sterbenden sa-hen sie wie viele kreisende Monde
um die Dächer sich drehen. Als zum drittenmale die Wagen der fünfzig
auf den Platz donnerten, steigerte sich der Jubel der Menge ins Unermeßliche.
Der vorderste der Karren wurde von einem stolpernden, räudigen Gaul
gezogen, der aus eitrigen Augen glotzte. Ne-ruda saß rücklings
auf ihm, den mit Stroh durch-flochtenen Schwanz des Tieres als Zügel
in den gefesselten Händen. Er funkelte mit heißen Augen in die
Reihen der lachenden Leute. Als ihm einer ein Schimpfwort zuwarf, schüttete
er eine trübe Flut gräßlicher und gemeiner Flüche
auf seinen Wider-sacher, der den Kopf einzog wie vor stinkendem Spülwasser.
Als die Welle der nächsten fünfzig sich an Galgen zerbrochen
hatte zu zitternden Tropfen, trat eine Pause ein im Ablauf des Festes,
weil Schauspieler und Tänzer, Flötenbläser und Pauken-schläger,
Zauberer und Messerschlucker sich zeig-ten. Ein braunes Mädchen, mit
durchsichtiger roter Seide bekleidet, tanzte vor dem König. Sie war
wie eine Mohnblume, die sich im Winde der Flöten wiegt. Eine züngelnde
Flamme, die auf dem pras-selnden Kalbfell der Trommeln wirbelt. Mit einem
hellen Schrei, der den König wie ein dünner Dolchstoß traf,
sank sie in sich zusammen und blieb lie-gen wie ein Häuflein Asche,
aus dem das rote Feuer des Gewandes noch glimmte. Man trug sie weg, während
Trompetenstöße kündeten, daß die Hinrichtungen ihren
Fortgang nähmen. Fünfzig Fleischklöppel schlugen krachend
an die Pfosten der hölzernen Uhren, schmetternd die letzte Stunde.
Die Gäule lahmten von dem schweren Werk und mußten mit Peitschen
geprügelt werden. Das Volk wurde ungeduldig. Es murrte, daß
es nicht rascher ginge mit dem Henken und viele verliefen sich. Auch der
König war schon aufgebrochen, nachdem er dem Herrn der Gauklertruppe
erlaubt hatte, daß er das Mädchen den Abend ins Schloß
schickte, vor ihm zu tanzen. Über den leeren Platz klapperten die
Hufe der Pferde. Klirrend schlossen sich ermüdete Fenster. In dünnen
spritzenden Stri-chen begann es zu regnen. Die letzten fünfzig starben
gänzlich unbeachtet.
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