Georg
Britting
Sämtliche
Werke
Band 1 Seite 55 bis 63 und 74 bis 87 "Frühe Gedichte" 1911 - 1919
* Band 1 Seite 529 bis 558 "Gedichte aus den zwanziger Jahren" / Seite 537
Band 2 Seite 211 bis 231 "Verstreut veröffentlichte Gedichte"
Band 4 Seite 295 bis 309 "Verstreut veröffentlichte Gedichte"
© Georg-Britting-Stiftung
- Alle Rechte vorbehalten /
zu
den Rechten:
DER VETERAN
Er trägt einen Fleck,
einen
moosgelben Fleck
Auf dem grünen Ärmel,
er hat keinen andern.
Er schnüffelt wild, seine
Nase ist weg,
Liegt bei Paschendaele in
Flandern.
Er holt sich am Amt
seine fünfhundert
Mark.
Fünftausend, er kann’s
nicht verwinden,
Fünftausend bekommen die
Blinden
Und die mit gelähmtem
Rückenmark.
Er steht an der
Ludwigstraße
Mit den Händen in den
Hosen.
Schaun all auf seine Nase.
Ein Karren mit Aprikosen
Fährt vorbei. Vom
Würmerfraße
Zeigt eine ein grünes Loch.
Das grüne Loch, wem gleicht
es doch?
Dem Loch in seiner Nase.
Er kauft sich die nasse,
zermatschte
Frucht.
Beriecht sie auf blankem
Handteller.
Beriecht sie, und läuft,
und schneller
Als damals auf der großen
Flucht
Vor den Granaten. Schon
ist er am Siegestor.
Eine Autodroschke rollt
glatt
heran,
Da wirft die Frucht der
Veteran
Dem feinen Fräulein ans
Ohr.
Das tröpfelt den weißen
Hals hinab
Und klebrig den Kanal
Zwischen den Brüsten.
Und bis sie befahl
Ihm nachzufahrn, war er im
Trab
Im englischen Garten
verschwunden.
Er hat es nie verwunden
Und fühlt es täglich
gleich stark:
Fünftausend Mark die
Blinden
und die Rückenmarksverletzten,
Als ob ihm Auge und
strammes
Kreuz und fünfhundert Mark
Das Loch überm Maul
ersetzten.
[1923]