Drucknachweise und Anmerkungen Lieferbare Ausgabe: Georg Britting Taschenbuchausgabe
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Georg
Britting
Sämtliche Werke » Unter hohen Bäumen « Band 4 Seite 196 © Georg-Britting-Stiftung - Alle Rechte vorbehalten / zu den Rechten: . WESPEN-SONETTE I. Das Stroh ist gelb. Das
ist Septembers Farbe.
Die goldne Sonne hängt
am
Himmel schwer,
Und trocken sein, und
nichts
als dürre Haut!
Die Wespe trinkt. Bei
jedem
Zuge rührt
II. Die letzten Zwetschgen
süßen
sich am Ast,
Und hört nicht auf die
Gartenlust
zu preisen,
So lebt sie ihren Tag,
Mitsingende
Sich austobt an den
leeren Vogelnestern
Im Baumgeäst - ein Raufbold der, ein grober Kennt seinen Namen nicht, doch ihn, Oktober! »Aufzeichnungen«
Zur Entstehung des Gedichtes
„Heut wollt ich ein Gedicht machen, Septembersonett
von einer gelben Wespe`. Eine schöne, gelbe Wespe setzte sich auf
eine gelbe Birne, und sog. Ich fand keinen Anfang. Vielleicht morgen."
Septembersonett von der gelben Wespe.Ein Gedicht ganz aus dem Gelb, der Sonnenfarbe, entwickelt. Alles ist gelb, zumal die saugende Wespe, die hier zum Mittelpunkt der Welt wird, einer Welt, die voller Reife und Ruhe ist, vom Licht wie von innen durchhellt und durchwärmt; alles ist auch Frucht, auch die Sonne: was von ihr niederströmt, das überreife Licht, es ist im Grunde nichts anderes als der süße Saft, den die Wespe aus der Birne saugt. In diesem tellurischen Gedicht fehlt auch (wie meistens bei Britting) der Himmel nicht: das Stroh des Stoppelfeldes, die Birne, die Wespe, die Sonne am blauen Himmel, das alles schließt sich in praller plastischer Fülle zur Einheit der frühherbstlichen, septemberlichen Welt zusammen, und weil die Wespe, das feingliedrige, „fräuleinshafte" Geschöpf, teil daran hat, in ihrer Kleinheit das Große widerspiegelnd, ist die adlige Form des Sonetts, ursprünglich nur Gefäß hoher menschlicher Gehalte, nicht zu gut, sie zu loben. Eine solche Dichte der Anschaulichkeit mußte erarbeitet werden. Der erste Bogen vor allem zeigt es: auf ihm begegnen noch unanschauliche, begriffliche Wendungen: „Wer wollte nicht die Welt jetzt loben?" „Mir scheint sie ist betrunken", „Was wollte sie von diesem Herbste mehr?" Aber auch Bilder erscheinen und werden wieder fallen gelassen: der Raum des Sonetts ist schmal, er zwingt zur Beschränkung und Auswahl: ....„Die Wespe kennt nicht Schnee und weißes Eis, ....Die Welt ist gelb, denkt sie, und sommerheiß, ....Voll gelben Weins, und das ist ihr genug." Am schönsten aber ist es zu verfolgen, wie die letzte Strophe wird: in drei Würfen erst wird sie gewonnen. Der dichterische Kern der schönen Strophe, das Bild des Weibes mit dem der Hüfte eng anliegenden Mieder, ist schon im ersten da: hier aber ist es noch bäuerlich die Magd mit dem goldbesetzten Mieder, dann wird das Bild verfeinert, die Vorstellung des Fräuleinshaften erscheint, aus dem einfachen „schön sich rühren" wird das stärkere „sich lustvoll rühren", bis im dritten Anlauf die gültige Gestalt erreicht ist: 1. Die Wespe trinkt: das ihre Hüfte schnürt,Nun erst sitzt das Bild, der Satzbau ist vereinfacht und das emphatische „Wie" des Ausrufs durch schlichte Aussage ersetzt. Schön ist es, ein Gedicht zu schreiben, aber auch schwer: Auf diesen mit zahlreichen Korrekturen, die Phantasie anregenden Reimfolgen, Einfällen bedeckten Blättern ist es zu sehen, wie schöpferischer, unwillkürlicher Einfall und künstlerische, bewußte Arbeit sich verbinden, ja wie beim Schreiben die gestaltende Kraft sich steigert und zu Versen gelangt, die nicht von Anfang an da waren. Und kaum ist das Gedicht ins Reine geschrieben, läßt der Geist des Ungenügens keine Ruhe: was Reinschrift war, ist nun wieder Entwurf. Während der Dichter schon im Zuge sitzt, auf der Reise ins nördliche Deutschland, befördert die Post die endgültige Gestalt des Gedichtes und bringt sie ins Haus, willkommener Gegenstand des Gesprächs beim ersten gemeinsamen Mahl. © Georg Jung |