Drucknachweise und Anmerkungen Besprechung in dser "Frankfurter
Anthologie" Lieferbare Ausgabe: Georg Britting Taschenbuchausgabe
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Georg Britting |
HEINZ PIONTEK
JAGDSZENE AUS OBERBAYERN
Dieses
Gedicht
stammt aus dem Nachlaß Brittings. Es ist aber kein beiseite gelegtes,
kein Nebenprodukt. Der Dichter selbst hat es noch für einen geplanten
Band bestimmt. Britting gilt allgemein als deftiger Bajuware und
Barocknatur.
Wenige sind bisher auf seine feineren Züge gestoßen, beispielsweise
auf die des »Römers« Britting. Ein beträchtlicher
Teil seiner Gedichte ist in antiken Versmaßen geschrieben. Britting
war ein ausgezeichneter Metriker. Römisch an seiner Poesie finde ich
nicht bloß die künstlerische Strenge, sondern auch die Knappheit
des Duktus, das Virile, Beherrschte, den kritischen Unterton.
Immerhin,
»Das
weiße Bett« könnte man auf den ersten Blick
fast für ein Gedicht in freien Versen halten; es wirkt ungezwungen.
Dabei setzt es sich - um ganz genau zu sein - aus drei alkäischen
Strophen zusammen, von denen jede mit zwei elfsilbigen Versen eröffnet
wird, worauf dann ein neunsilbiger und zehnsilbiger Vers folgen. Die
Gewichtsverteilung,
das Setzen der Zäsuren ist kunstvoll; man beachte, wie die beiden
Daktylen am Schluß der ersten beiden Verse und die am Anfang des
vierten einander aufwiegen. Genug von Finessen! Junge Kollegen vom Fach
halten sie heute für unerhebliche Tüfteleien; ich muß hinzufügen:
in Westdeutschland. In der DDR wird streng darauf gesehen, daß
Nachwuchslyriker
über die Grundlagen ihrer Kunst, wozu man selbstredend auch die
Verslehre
rechnet, Bescheid wissen. Doch zurück zu unserem Gedicht.
Keine
problematische
Sache, nein, bloß ein Jahreszeitenbild, eine Winterlandschaft, ein
Stück Naturlyrik. Nur im ersten Vers taucht ein Ich auf: Jemand, der
eine Spur im Schnee entdeckt, die er nicht lesen kann. Was sich daran
anknüpft,
wird »objektiviert«. Die Dinge müssen für sich selber
sprechen. Hier machen Wald und Feld deutlich, wodurch sie sich
unterscheiden.
Nicht »an sich«, sondern ganz unmißverständlich
für einen, der fliehen muß.
Das
Gedicht
hat von vornherein nichts Idyllisches. Ihm geht es um Jäger und Gejagte.
Genauer: Es warnt sogar vor der Anziehungskraft des Idyllischen, bequem
Schönen, das uns einlullen kann. Das weiße Feld: ein frisch
bezogenes Bett! Wer gejagt wird, nimmt lieber den rauhen Wald, das
dornige
Dickicht in Kauf. Kaum haben wir uns auf die alte List der Verfolgten
wieder
besonnen, sehen wir uns mit einem pointiert politischen, zeitgemäßen
Schlußbild konfrontiert: Die Häscher sind da, die ihre Opfer
gern im Bett überraschen.
Das
alles
wird ruhig und gleichmäßig hingesprochen, ein Bild ergibt das
andere, zielstrebig geht es vorwärts. Wer so konstatiert, nimmt nicht
den kürzesten Weg, aber einen kurzen. Obgleich Britting von einer
ländlichen Szenerie ausgeht, hat sein Wortlaut nichts bodenständig
Schwerfälliges. Im Gegenteil, eine unauffällige Eleganz in der
Sprach- und Versbehandlung macht sich geltend: eine, die sich durch
Beherrschung
der Mittel einstellt. Ich schreibe das Wort meisterhaft hin, auch
wenn man es heute nicht mag. Jedenfalls, hier braucht einer nicht
großzutun,
weil er es jetzt im Handgelenk hat.
Ich
glaube,
dieses Gedicht zeigt deutlich, wie oberflächlich diejenigen urteilen,
die unsere Naturlyrik der zwanziger bis fünfziger Jahre pauschal als
harmlos hinstellen. Andererseits freilich sollte man nicht vergessen:
Was
Britting der Welt an Sinn abgewinnt, bleibt bis zuletzt rein von
allen weltanschaulichen Beimischungen. Nie kommt es aufdringlich daher.
Ein Mann wie er weiß, was er weiß, ist aber kein Besserwisser.
Seine Erkenntnis ist eingewebt in die Bilder seiner Gedichte, sie kann
nicht als Reflexion herausgelöst und für sich genommen werden.
Wer das versucht, zerstört das Gewebe des Gedichts.