Zur "Kunst-, Thater- und Literaturkritik"
 
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© Georg-Britting-Stiftung


Georg Britting
Sämtliche Werke  - Prosa -
Herausgegeben von Walter Schmitz
Band 1   Seite 109
Kommentare Seite 627

4 Erzählungen aus: »Der verlachte Hiob«

Das Fest der Vierhundert | Kain |Der Tod des Don Quichotte | Hiob



 
 
 
 
Das Fest der Vierhundert

Am roten Morgen des Fronleichnamstages erschlugen die meuternden Sträflinge den General und die Offiziere. Neruda, der Anführer, ließ Branntwein verteilen und gab die weißhäutigen Frauen frei. Sie erlagen der tödlichen Umarmung der Vierhundert. Taumel und Tanz der Befreiten wandelte sich in Verzweiflung, als gegen Mittag vier königliche Segler in Sicht kamen. Die Wut der Ruderknechte sprang wie ein böses Tier Neruda an. Sie würgten ihn, spieen ihm ihre Galle ins Gesicht und banden ihn am Maste fest. Auf den Knieen und mit erhobenen Händen heulten sie den Soldaten des Königs entgegen. Spangen schlossen sich wieder um Knöchel, die einen halben Tag mit blassen Ringen gelöster Fesseln geprahlt hatten. Achtundvierzig Stunden später liefen die Schiffe den Hafen der Hauptstadt an und schon nach weiteren drei Tagen wurde an den Meuterern das Strafgericht vollzogen. Auf dem großen Platz hatte man zehn Galgen auf-gerichtet. Die Häuser waren zum Fest geschmückt. Girlanden wanden sich und Kränze. In den Fenstern lag das Volk und brüllte vor Ungeduld. Der König selbst hatte mit kleinem Gefolge auf einer Estrade Platz genommen. Er naschte von südlichen Früchten, die in einer geschliffenen Schale vor ihm standen. Damen des Hofes entfalteten klirrende Fächer. Die Vorbereitungen waren so getroffen, daß immer fünfzig der Verbrecher gleichzeitig hinge-richtet werden konnten, je fünf an einem Galgen. Man hatte den Gerüsten eine besondere Form ge-geben, derart, daß zwei Stützpfosten von etwas über Mannshöhe durch einen starken Querbalken verbunden waren. Auf niederen Karren, von Pfer-den gezogen, denen zwischen den Ohren rote Federbüsche blühten, rasselte der Zug der ersten fünf-zig aus dem Tor des Gefängnisses. Als auf die Verurteilten der Glanz des blauen Himmels fürchter-lich eindrang, als sie das Grün der Kränze  flattern sahen und taumeln die schwarzen Rechtecke der Galgen, zerbrachen sie in einem Schrei, der fröhlich von dem Jubel des Volkes aufgenommen und wei-ter getragen wurde. Die Schlinge des Stricks, die von ihrem Hals baumelte, mußten sie selbst an den riesigen Nägeln der Balken befestigen. Die Knechte rissen ihnen die Treppen unter den zitternden Füßen fort. Sie zuckten wie Aale an der Schnur. Man-che griffen mit leeren Händen um sich, als wollten sie Wasser schöpfen. Andere liefen mit schnellen Beinen einen steilen Berg empor. Aber bald hingen alle wie tote Schläuche. Während man sie abschnitt und ihr warmes Fleisch auf den kreischenden Kar-ren wegfuhr, züngelte aus dem Gefängnistor schon die Schlange der nächsten fünfzig. Straßenverkäufer boten Orangen feil. Die gelben Kugeln flogen von Hand zu Hand. Stutzer ließen sie schimmernd stei-gen zu Fenstern, aus denen Mädchengesichter sich neigten. Die brechenden Augen der Sterbenden sa-hen sie wie viele kreisende Monde um die Dächer sich drehen. Als zum drittenmale die Wagen der fünfzig auf den Platz donnerten, steigerte sich der Jubel der Menge ins Unermeßliche. Der vorderste der Karren wurde von einem stolpernden, räudigen Gaul gezogen, der aus eitrigen Augen glotzte. Ne-ruda saß rücklings auf ihm, den mit Stroh durch-flochtenen Schwanz des Tieres als Zügel in den gefesselten Händen. Er funkelte mit heißen Augen in die Reihen der lachenden Leute. Als ihm einer ein Schimpfwort zuwarf, schüttete er eine trübe Flut gräßlicher und gemeiner Flüche auf seinen Wider-sacher, der den Kopf einzog wie vor stinkendem Spülwasser. Als die Welle der nächsten fünfzig sich an Galgen zerbrochen hatte zu zitternden Tropfen, trat eine Pause ein im Ablauf des Festes, weil Schauspieler und Tänzer, Flötenbläser und Pauken-schläger, Zauberer und Messerschlucker sich zeig-ten. Ein braunes Mädchen, mit durchsichtiger roter Seide bekleidet, tanzte vor dem König. Sie war wie eine Mohnblume, die sich im Winde der Flöten wiegt. Eine züngelnde Flamme, die auf dem pras-selnden Kalbfell der Trommeln wirbelt. Mit einem hellen Schrei, der den König wie ein dünner Dolchstoß traf, sank sie in sich zusammen und blieb lie-gen wie ein Häuflein Asche, aus dem das rote Feuer des Gewandes noch glimmte. Man trug sie weg, während Trompetenstöße kündeten, daß die Hinrichtungen ihren Fortgang nähmen. Fünfzig Fleischklöppel schlugen krachend an die Pfosten der hölzernen Uhren, schmetternd die letzte Stunde. Die Gäule lahmten von dem schweren Werk und mußten mit Peitschen geprügelt werden. Das Volk wurde ungeduldig. Es murrte, daß es nicht rascher ginge mit dem Henken und viele verliefen sich. Auch der König war schon aufgebrochen, nachdem er dem Herrn der Gauklertruppe erlaubt hatte, daß er das Mädchen den Abend ins Schloß schickte, vor ihm zu tanzen. Über den leeren Platz klapperten die Hufe der Pferde. Klirrend schlossen sich ermüdete Fenster. In dünnen spritzenden Stri-chen begann es zu regnen. Die letzten fünfzig starben gänzlich unbeachtet.


 
 
 
 
 
 

Kain

Als Abel, der sanfte, süße, blonde und weißhäutige Abel ihn anschmachtete mit triefender Güte in den leicht vorquellenden Augen, als er ihm die kleinen, gepolsterten Hände entgegenhob und brüderliche Wange an seiner Schulter reiben wollte, wie er es immer tat, die rosige Wange, die sich anfühlte wie die dunstige Schnauze eines Kätzchens: ihn überschwemmte Haß von tausend Knabentagen, Widerwille von hundert gemeinsamen Mahlzeiten – und er schlug zu, er schlug gut zu, mit dem Ast, den er sich gebrochen hatte ihn zum Bogen zu spannen – und sah gelassen wie die hellblauen Kälbchenaugen verglasten. Schon brauste der Him-mel schwarz. Wolken zerfielen zu Schluchten und ein grüner Mond erklirrte. Kain peitschte sich vorwärts. Er wölbte die Brust und hetzte in Sprüngen zum Wald. Der Blitz, den ihm der Herr nachwarf, streifte seine Ferse. Er sprang wie ein Hirsch durch das Gestrüpp, vergrub sich in eine Höhle, hungerte Tage. Er erwürgte Abel durch viele Träume. Und dehnte die breiten Schultern, befreit, wenn er mit den Füßen nach der Leiche stieß. Nie hatte ihm Abel unrecht getan: Er haßte ihn. Er zitterte, wenn Abel ein gutes Wort zu ihm sprach. Empörte sich, wenn der Bruder ihm liebes erweisen wollte. Roch ihn wie Schleim, wenn er neben ihm schlief Er spürte Feindschaft, wo das Blut versöhnt klopfen sollte. Er erschlug ihn tausendmal im Spiel, in schlafgemiedenen Nächten hinter halbgeschlossenen Augen. Er stürmte mit beiden Fäusten gegen ihn und flatterte ins Leere. Finger faßten nicht Fleisch, erstickten im zähnachgiebigen Saft. Seine Mannheit pantschte gegen Schlamm. Kantige Stirn donnerte nicht gegen gleiche Wölbung. Süße Mundwinkel reizten ihn. Er erschlug ihn, den Gott liebte. Er haßte Gott. Gott, der den wirbelnden Rauch von Abels Opfer gerne roch. Er traf Abel und hoffte Gott zu treffen. Ihn, der das Bürschchen, das Jüngferlein Abel zum Bild sich geschaffen. Zum Gleichnis. Zum Freund. Zum Bruder. Zum Sohn. Zu seinem weißumhäuteten Selbst. So erschlug Kam den Abel, im Aufruhr des ewig Andern, in riesiger Flamme zerbrannt.
Kain blieb im Wald wohnen. Er schnitzte sich Pfeile aus dem harten Holz der Eschen. Er jagte den Hirsch, fing die Fische mit der Hand und nahm die Eier aus den schwanken Nestern. Er trug in die Höhle Moos und dürres Laub, darauf zu schlafen. In einer schwülen Nacht stieg er über das Gebirge und stahl im fremden Tal ein Kind. Das Mädchen wuchs auf ohne Erinnerung an Menschen, von denen es stammte. Sie briet Kain die Vögel, bereitete sein Lager und schlief bei ihm. Wenn er die hohen Brauen runzelte, duckte sie ergebene Schultern. Sie wusch ihm die Füße und ertrank im Meer seiner Augen. Er lehrte sie, ihm Opfer zu bringen, Tiere und seltene Früchte. Wenn ihn der Opferrauch umwirbelte, schlug sie die Stirn auf die Hände und betete zu ihm. Er nahm seine Rache an Gott. In ihrem Herzen ermordete er ihn, zerstampfte er ihn, rottete er ihn aus und setzte sich an seine Stelle. Sie gebar ihm Söhne und Töchter. Sie sprachen seinen Namen wie den Gottes aus. Sie jauchzten, wenn der Blitz des Himmels grün über die Wipfel fuhr und lachten, wenn schwarzer Donner über dem Walde polterte. Aber der Blitz aus Kains Augen drückte sie auf die Kniee und der Donner seiner Stimme machte sie erbeben.
Als er sich alt fühlte und bereit zu sterben, rief er sie alle in die Höhle. Vor den Eingang rollte er mit letzter Kraft einen großen Stein. Sie zündeten ihm Opferfeuer und lagen um ihn in Gebeten. Sie erstickten im weißen Dampf Als er Starre in den zu ihm erhobenen Blicken sah, lief ein ungeheures Zucken durch seinen Körper. Er brach tot zusammen und verlöschte mit dem Gesicht die schmale Flamme, die noch für ihn leuchtete.


 

Der Tod des Don Quichotte

Don Quichotte saß im Sterbestuhl. Sein kahlgefreßner Vogelkopf zitterte auf dünnem Hals, dessen Adamsapfel unruhig auf und ab stieg. Die Schnurrbartspitzen waren sorgfältig gewichst und stachen starr und schwarz wie Lanzen in die Luft. Nur wenn er die Oberlippe greinend verzog, bebten sie hilflos. Die halberloschenen Augen rannten über den Stubenboden wie vergiftete Mäuse. In den Mundwinkeln klebte getrockneter Schleim. Frau Avrikos, die Wirtin, bereitete in der lärmenden Küche Pasteten. Das Knallen des platzenden Fettes donnerte durch den Raum. Don Quichotte hatte das Kinn auf die Brust gesenkt. Seine mageren und ungewaschenen Hände lagen auf den Lehnen des Sessels. Seine Gedanken waren schon nicht mehr bei ihm. Sie hatten sich von seinem Befehl gelöst wie meuternde Truppen. Sie führten einen Feldzug auf eigene Faust. Sie wogten hin und her, kämpften geschlossen und aufgelöst, drangen vor und zurück, stritten im Nahkampf und schossen mit Pfeilen. Er war nicht mehr als ein unbeteiligter Zuschauer. Wenn er den Unbotmäßigen Richtung geben wollte, schien es einen Augenblick lang, als folgten sie seiner Weisung, als setzten sie sich in Marsch auf vorgezeichnetem Weg. Aber bald schwenkten sie in Kolonnen wieder ab und führten Bewegungen aus, die er nicht vorgesehen hatte. Den Rappen, der sich im spanischen Schritt trug, lenkte er mit goldenen Zügeln. Es regnete Blumen und junge Mädchen hingen an seinen Steigbügeln. Der Abendhimmel wölbte sich schwer herab, als er über Land ritt. Die heilige Jungfrau, gebenedeit sei das Lächeln ihrer Augen, neigte sich aus Wolken und warf ihm ein funkelndes Kreuz zu. Hohn umbrandete ihn. Menschen, Menschen – er wischte ihren Spott von sich ab wie den Speichel der Ungläubigen. Erzengel führten sein Schwert. Liebe füllte sein Herz wie eine feurige Kugel, die schwebend glänzte.
Seine Hände waren gesegnet. Frau Avrikos kam aus der Küche. Sie sah ihn mitleidig an, wie er zusammengesunken im Sessel saß, mit feuchten und eingefallenen Schläfen. Er richtete die Augen auf sie, erkannte sie aber nicht mehr. Sein Atem ging in kurzen Stößen und seine Stirn wellte sich in Falten, die ein heftiger Krampf aufwarf. Sie beherbergte den Herrn nun schon die sechste Woche. Sie schlug ein crschrockenes Kreuz. Die heilige Barbara mochte wissen, ob er noch ebenso viele Stunden lebte. Den Quichotte schien zu schlafen, nur seine Hände waren lebendig. Der kleine Johannes zerrte am Strick Rocco, den Köter, in die Stube. Der Hund hatte ein böses und schielendes Auge, das blutunterlaufen war. Johannes begann mit dem Tier zu spielen, redete zu ihm wie zu einem Kinde, riß es am Schwanz, zog an seinen Ohren, legte ihm schließlich die hohlen Hände um die Schnauze und blies auf ihnen wie auf einer Trompete. Er nahm ihm die Zunge aus dem Maul und kratzte sie mit den Fingernägeln. Er zupfte ihm Haare aus dem Bauch und schwang es an den Beinen um den Kopf Er setzte sich rittlings auf den Hund, nahm seine Ohren als Zügel und schleuderte ihn galoppierend rund um die Stube. Er holte Wasser und goß es ihm in den Schlund. Mit einem Holzsplitter durchstach er ihm die Lefzen. Die demütige und gequälte Bestie empörte sich. Sie sträubte die Rückenhaare, funkelte mit dem kranken Auge und sprang dem Knaben mit einem kurzen Schrei an die Kehle, von dem der Greis im Sessel erwachte. Er sah die furchtgekrümmten Arme des Kindes, sah das Untier, den feurigen Drachen, der es bedrängte. Er erhob sich und seine zitternden Beine trugen ihn. Vor seinen Augen blitzten die Speere der Schlacht. Erzengel führten sein Schwert. Liebe brach aus ihm erschütternd. Ein Mensch schrie und durch Qualm und Niedertracht brauste der einzige Ton gegen ihn. Er schwang den Stock wie einen Morgenstern und stieß gegen den knurrenden Hund vor. Der Kampf wurde mit Erbitterung geführt. Das rasende Tier war schneller als er und er traf in die Luft mit furchtbaren Schlägen. Die Bestie umkreiste ihn, zischte vor Wut und überschäumte ihn mit Flocken weißen Geifers. Sie verbiß sich an seiner Hüfte und schnellte sich um seine Beine wie die scharfe Sichelschnur der Peitsche. Sie griff ihn von hinten an und wich blitzend seinen zornigen Tritten aus, daß er sich vergeblich auf einem Bein wild um sich drehte. Er marschierte wuchtig gegen das Tier vor, den Stock gesenkt wie eine gefällte Lanze. Mit kreisenden Hieben gebrauchte er ihn wie eine Sense. Er schleuderte ihn wie einen Wurfspeer und er drosch zu wie mit Keulen. Seine Hände bluteten und sein Rock hing in Fetzen. Der Hund saß drohend in einer Ecke und schwoll mächtig an. Er sauste wie ein Pfeil gegen ihn und blies ihm den häßlichen Atem ins Gesicht. Er wich zurück und duckte sich zum Sprung. Der Greis holte aus mit einer Bewegung, als müsse er den Erdball zu Trümmern splittern. Die Wucht des Schlages riß ihn mit und er krachte zu Boden, aufschmetternd mit der Stirn. Er blieb steif liegen. Aus seiner Nase rann dünn hellrotes Blut, das der Hund aufleckte.


 
 
 
 
 
 

Der verlachte Hiob

Der dreckige alte Jude wühlte sich tiefer ins Stroh, das faulte und stank. Ein spitzer Halm bohrte sich zwischen Nagel und Fleisch der Zehe. Er stöhnte und mit den rissigen Händen erlöste er sich. Sein uraltes Gesicht war von langen Falten durchgraben. Er hob den Blick, schickte ihn über Hütte und den dürren Strauch zum hitzigblauen Himmel und begann tief zu schluchzen. Er spritzte seinen Jammer wie eine Fontäne trüben Wassers empor und ließ die Brühe rückplätschern über sich. Seine Augäpfel rollten, rund und bestürzt. Wieder ließ er vorbeidefilieren den wackelnden Trauermarsch, die langen Kolonnen von Mißgeschick, Leid, Unglück, Gemeinheit und Niederträchtigkeiten, die ihm geschehen waren. Er wußte die Reihenfolge und hielt sie genau ein. Er begann zu brüllen, als ihm das schlimmste nochmals geschah, ruderte mit den Armen und sank in Apathie zusammen. Das mistige Stroh stank. Sein Unglück betäubte ihn und er war jetzt wieder in dem Zustand, wo er in einem dämmernden Wohlgefallen an seinen Schmerzen litt. Der Wind knisterte im dornichten Strauch und der Weg über die sandige Höhe lief schnell und brennend ins Jenseitstal, aus dem der Rauch noch stieg. Hiob schlief ein. Sein Unterkiefer klappte auf, und zerlöcherte Zähne klafften. Die Sonne, die wie ein gelbes Rad im Blauen wirbelte, stach ihn wieder wach. Nun fiel das Leid wuchtig auf ihn und ungeheuer klagte er. Der blaue Himmel war nur, ihm die Augen zu blenden, der Strauch trug keine Blüten, ihn zu höhnen und der Weg lief vor ihm davon und ließ ihn zurück auf dem Stroh, das ihn kichernd kitzelte. Er kratzte sich und zerrieb die Schwären, die er sich abriß, zwischen den Fingern zu einem braunen Staub und roch daran und erbrach fast vor Ekel. Er schloß die Augen und verstopfte sich die Ohren, nichts zu hören, nichts zu sehen, aber der Schmerz drang durch die Wunden seines Leibes ihm ins Blut und in schleppenden Gesängen tat er ihm genüge. Als er die Augen wieder öffnete, sah er am Hügelrand eine Staubwolke fliegen. Aus der Wolke brachen blitzend Pferdehufe. Die kleine Schar kam prasselnd näher. Die Männer trugen purpurne Kleider, ihre Bärte waren schwarz und niederhängend über die roten Lippen. Es schlugen Schwerter an ihre Sättel. Sie waren sieben und ihr Anführer jung, fast ein Knabe. Hiob ging schon wieder über die blauen Ebenen seines Schmerzes. Sein Gesicht war verzerrt in Qualen und sein Klagegesang wilder geworden, und aufrührerisch und wieder schrecklich demütig. Die Stimme zwang ihn aufzuhorchen. Sie fragte lachend: Was plärrst du, altes Scheusal? Er sah ihn gereizt an. Er schob die Lumpen auf seiner Brust auseinander, daß er die Pestlöcher sähe. Er tats, wie Achtung heischend. Er stöberte im Stroh, daß jenem der Gestank in die Nase fuhr. Er tats, wie Respekt fordernd. Die Männer kreischten fröhlich entsetzt, fuhren mit den Nasen zum Himmel vor dem Duft und sahen lachend wieder auf den Alten. Da trat aus der Hüttentür das Mädchen. Der Fremde grüßte. Das Mädchen kniete bei Hiob nieder. Der Alte fing wieder wüst zu schreien an. Er wiegte sich in den Hüften und gurgelte seinen Schmerz hervor. Du bist seine Tochter? Über das Gegröhl Hiobs stieg ihr Wort süß: ja. Und sie fuhr mit den Fingern in sein verlaustes Haar und tötete die widerlichen Tiere. Über Hiob war ein neuer Anfall gekommen. Der schüttelte seinen Körper und bebte in seinen Armen und er schäumte und heulte erbärmlich. Der Fremde sagte: Laß den Alten! Er machte den Steigbügel frei mit dem einen Fuß und neigte sich zu ihr. Das Mädchen trat mit einem kurzen Schritt zu ihm. Hiob sah auf Es sprudelte in ihm hoch von vielen, sich überstürzenden Worten, sie zu bitten zu bleiben. Aber dann war in ihm die Verlockung des Glücks, zur letzten Grenze des Leids vorzustoßen. Er ließ die Arme sinken, die er ausgestreckt hatte. Er verschluckte jedes Wort und starrte mit rinnenden Augen vor sich hin. Das Mädchen setzte den Fuß in den Bügel. Der Fremde riß sie hoch und vor sich auf den Pferdehals. Es stieg schauerlich auf in Hiob. Er preßte die Lippen aufeinander zu schweigen. Er tastete mit den Händen im Stroh. Dann schleuderte es ihm die Zähne auseinander und ein tobendes Klagen schmetterte er hinaus, großartig und lächerlich. Beim Wegreiten lenkte einer sein Pferd dicht an dem Alten vorbei, schlug ihm mit der Peitsche scharf über das zerfressene Gesicht, und der Sand, der unter den Hufen wegstäubte, klatschte ihm in die Augen. Ein prasselndes Lachen fetzte in seine Dunkelheit, steil stieg darüber das silberne des Mädchens in den hitzigblauen Himmel.