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Georg Britting
Sämtliche Werke - Prosa -
Herausgegeben von Walter Schmitz
Band 1 Seite 211
Kommentar Seite 640
Aus: »Erzählungen, Bilder, Skizzen«
Katta MollKatta Moll triumphierte: Ich habe in Hafenschenken getanzt, daß die Gäste mit den langen Messern die Tische zerschnitten vor Lust. Der chinesische Steuermann schüttete mir ein Pulver ins Glas. Ich gab es ihm zu trinken und schlief bei ihm. O, er war süß der gelbe Affe! In Dortmund sprang ein Apotheker auf die Bühne und verbiß sich in meine Schenkel. In Paris verkaufte ich einer Herzogin meine getragenen Strümpfe. Sie schrie vor Wollust, wenn sie daran roch. Katta Moll legte die Arme weit in den Tisch. In Boston, ja in Boston wars, da wollte mich der Mönch im Beichtstuhl vergewaltigen. Katta Moll kreischte: Morgen tanze ich zum erstenmal hier!
Der grüne Kulissenwald schwankte wie ein Pfauenschwanz. Gelb, grün, grün, gelb, rot. Katta im schwarzen Trikot. Sie schritt, beugte sich, drehte die Arme, schwenkte die Hüften, spannte die Schultern, wirbelte, brannte, zischte, loderte, raste ... und stürzte brüllend von der Bühne, als drunten keine Hand sich regte.
Sie saß bleich am Tisch. Sie duckte sich unter den Blicken der Frauen. Schäumend berichtete sie: In München hatte sie einem Maler nackt Modell gesessen. Es wurde ihm verboten das Bild auszustellen. Ein Oberrealschüler versuchte seinen Vater zu erwürgen, weil der es ihm verwehren wollte, den fünften Abend ins Variete zu gehn ihretwegen. Heute tanze ich wieder. Ah, sie schnupperte erregt.
Wald wogte. Die Musik rauschte wie goldener Schleppenwurf. Katta Moll trug ein gelbes Trikot. Auf zögernden Gelenken schritt sie zur Rampe. Cymbeln tönten auf. Sie wölbte den Bauch zu spiegelnden Sonnen. Sie setzte die Hände auf die Brüste, gleich Vögeln, die an Trauben naschen. Sie begann sich langsam zu drehen. Unter ihren Füßen waren silberne Messer. Sie warf die Hände in die Luft und sie fingen sich wieder und verschwanden. Rasender jagten die Geigen und ein Paukenschlag warf sie auf die Kniee. Der Vorhang sank wie ein Blütenblatt. Niemand klatschte.
Katta Moll verbrachte die Nacht in der Portierloge. Sie brüllte in seinen Armen und ließ ihn schwören, daß sie schöner sei als seine fünfzigjährige Frau. Auf der Straße schlich sie entlang den Häusern. Sie ging zum Direktor und erbat die Lösung des Engagements. Er verweigerte sie.
Abends tanzte sie wieder. Orangen war ihr Trikot. In traurigen Kreisen erreichte sie die Mitte der Bühne. Sie zelebrierte mit den Beinen eine Messe des Teufels. Sie zerriß die Seide über der Brust. Fromm verhüllte sie sich wieder und mit dem Gang junger Nonnen tanzte sie ab. Niemand klatschte.
Katta zerfleischte sich vor dem Spiegel. Sie beschimpfte sich mit schrecklichen Worten. Sie riß sich an den Haaren. Sie schlug sich ins Gesicht. Sie wälzte sich auf dem Teppich. Sie schloß sich im Zimmer ein. Abends ließ sie der Direktor im Wagen holen und auf die Bühne schleppen.
Grün und gelb zischten die Kulissen. Katta befahl der Musik aus zu setzen. Dann drehte sie sich in einem Tanz voll einfacher und keuscher Bewegungen. Mit einem Ruck warf sie ihr Kleid ab. War nackt. Und spreizte mit einem gellenden Schrei die Schenkel. Der Vorhang taumelte rasch herab.
Katta weinte und heulte. Ein Mönch hatte mich vergewaltigen wollen. In Berlin... Sie floh zum Bahnhof. Die verzauberte Stadt sah ihr mit kalten Augen nach.[1920]