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Georg Britting
Sämtliche Werke  - Prosa -
Herausgegeben von Walter Schmitz

Band 1  Seite 289 + 291
Kommentar Seite 649

Aus: »Erzählungen, Bilder, Skizzen«

Salzburgiana
Ein biißchen Salzburg
 


Salzburgiana

Ich war auch in Salzburg.
 Und war auch im Cafe »Bazar« und trank eine »Teeschale Kaffee mit Schlag« und sah, wie der junge Thimig der Lady Diana Manners, der »Mirakel« - Madonna, die Hand küßte.
 Hinreißend.
 Und sah das Gerüst vorm Dom, wo Moissi bei schönem Wetter nachmittags um fünf Uhr als »Jedermann« schreckliche Sachen mitmachen muß.
 Und ich stand vor der Winterreitschule, die jetzt Reinhardts gelbes Festspielhaus ist, und wo er »Turandot« aufführt.
 Einen Mann im grünen Hütchen, einen Eingeborenen unzweifelhaft, fragte ich, wieso man dazu käme, diesen Berliner Komödie spielen zu lassen in einem Gebäude, wo man jahrhundertelang den Pferden die Hohe Schule beibrachte.
 Der Eingeborene sah nachdenklich vor sich hin.
 »Jo, Wissens«, sagte er dann, »jetzt, wo die Rösser so selten geworden sind, und olles Motorrad fährt! «
 Und: »Nöt, hob i net recht?« fragte er vorwurfsvoll und doch auch stolz.
 Die Festung Hohensalzburg aber sah grauglänzend auf uns herab.

Und ich saß auch im Peterskeller, trank den gelben Prälatenwein, der aus Ungarn stammt, und aß Salzburger Nockerln.
 Am Nebentisch taten einige schwarzkuttige Mönche das gleiche.
 Nur hatte ich eine Freundin mit. Sie nicht.
 Dann zahlte ich, und weil ich nicht mehr genug Schillinge hatte, fragte ich den Kellner, ob er auch Mark nehme.
Ober jo, Herr«, sagte er, »Geld ist Geld, is olles ans!«
Er erschrak. Dann stand er stramm.
 »Bloß der Dollar«, sagte er, »der Dollar...« und sah hochachtungsvoll aus.
 Aber er ermannte sich wieder.
 Und, nahm duldsam meine Markstückeln.
 Nachdem er sich beim Zusammenzählen verrechnet hatte.

Die Kandelaber der Salzachbrücke tragen große, graue Milchglaskugeln. Das gibt ein schönes, gedämpfes Licht und sieht drollig aus. So wie Petroleumlampen vergangener Zeiten.
 Ein Mann aus Norden konnte sich über diesen Anblick gar nicht beruhigen. Und er sprach zu seiner Frau: »Ne, ne doch, Mieze, det is ja das reinste Mittelalter!«
 Und als er sich umwandte, stieg gerade der volle, rote Mond, glühend und atmend, zwischen den Bergen empor.
 Der Mann aus Norden wich erschrocken zurück, hielt sich am Brückengeländer fest, sah den Mond an, sah vom Mond auf die Milchglaskugeln und wieder auf den Mond und sagte resigniert: »Das reinste Mittelalter! Da kommt wahrhaftig auch noch der Mond!!«
 Die Salzach unten schäumte.

Und weil ich in das Innere des Landes vordringen wollte, zog ich genagelte Schuhe an und ging zu dem Bahnhof, wo ein Lokalbahnzug tief in die wüsten Täler des Gebirges geschickt wird.
 Um sieben Uhr dreißig sollte der Zug abgehen, las ich, und weil ich mißtrauischer Natur bin, fragte ich auch noch einen Beamten nach der Abfahrtszeit.
 Der Hochbemützte war sehr höflich.
 »Offiziell,« sagte er, und nahm das Wort sehr streng und
feierlich, »offiziell geht der Zug um sieben Uhr dreißig ab. Wann er ober würklich fohrt, dös kann i net sogen! «
So sprach der höfliche Hochbemützte.
 Und ein heiterer blauer Himmel wölbte sich österreichisch über uns.

[1926]
 



Ein bißchen Salzburg

Es war am Samstag, den einundzwanzigsten August, in Salzburg, und abends gegen zehn Uhr, und ich kam vom Feterskeller, der einem kirchlichen Stift gehört, wo ein Mönch, die Kellner beaufsichtigend, die Kutte flattern läßt, und ging nun in die Stadt hinein. Im Peterskeller hatte ich einen gelben Donauwein getrunken. Ja, einen Donauwein, einen herben aus der Wachau. Weil ich selbst von der Donau stamme, aber von einem rauheren Strich, wo Wein nicht gerät, gelüstete es mich, einmal die Traube ihrer östlicheren Hänge zu kosten, und es reute mich nicht, sie schmeckte gut und ich trank manches Glas und ein Schuft, wer die Zahl noch weiß und verrät.
 So ging ich in die Stadt hinein, am Dom vorbei, dessen Türme geringelt und verschnörkelt waren wie nur je tagsüber, und ging über den Residenzplatz, wo der Brunnen plätscherte und die steinernen Flußpferde schnaubten und niesten, und kam hinunter an die Salzach und auf die Brücke, wo die Kandelaber stehen mit den großen, weißen Milchglaskugeln, die ganz aussehen wie rahmglänzende Trauben. Da strich ein südlicher Wind, warm war es, die Salzach rauschte, und zwischen den Bergen stieg wahrhaftig der Mond herauf, fast Vollmond war es, am Abend des einundzwanzigsten August.
 Der Mond war gelb, aber sein Licht sonderbarerweise bläulich, und bläulich färbte er alle Gesichter. Über die Brücke liefen viele Menschen, und jenseits der Brücke saßen viele auf Bänken am Ufer, Liebespaare auch, wie mir schien, weißgekleidete Mädchen, und dann kam ich auf einen Platz, da strömten aus einem Haus immer noch mehr Menschen, Herren im Frack und Damen in roten Abendmänteln, und es war das Stadttheater.
 Und der Wachauer Wein macht verwegen und so schritt ich durchs Tor des Hauses, schob mich vorwärts, und plötzlich strahlte es rot und gold und mit Plüsch und mit Stuck und mit Gips, und ich stand hinter der hintersten Parkettreihe des Zuschauerraumes. Logentüren wehten halboffen, ein Häuflein Menschen hatte sich irgendwo zusammengeballt, das immerfort die Hände ineinanderschlug, und einmal standen auf der Bühne, vor dem Vorhang, eine Dame, weißgepudert, in einem seltsamen Kostüm und ein antiker Prinz oder so etwas, und die beiden lächelten süß und verneigten sich, und auf einmal war da auch noch ein hochgewachsener Herr im Frack mit einem roten Gesicht und mit weißen Haaren, die gut zu dem Rot der Haut paßten, und der Herr sah sehr vornehm aus, und auf einmal wußte ich es, daß es der Komponist Richard Strauß war.
 Und weil ich den Komponisten Richard Strauß sehr mag, klatschte ich heftig und rief »Bravo! Bravo!« und Strauß! Strauß! « und er sah mich an, groß an und verneigte sich, und dann ging ich ganz beflügelt wieder hinaus in die Stadt, in den südlichen Wind, auf die Brücke mit der Milchglaskugelbeleuchtung, über der immer noch der Vollmond brannte, denn es war abends gegen zehn Uhr, am einundzwanzigsten August neunzehnhundertsechsundzwanzig.

[1926]