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Georg Britting
Sämtliche
Werke - Prosa -
Herausgegeben von Georg-Britting-Stiftung
Aus: »Erzählungen,
Bilder, Skizzen«
Der polnische Schmied
In einem
strengen Winter war das, in einem Dorf in Polen, vor mehr als hundert Jahren,
und die Menschen waren noch einfältigen Gemütes und fromm. Die
Kälte war so hart, daß es die Raben bis ins schwarze Herz hinein
fror und sie tot von den Bäumen fielen, den Füchsen zum Fraß,
die sonst nicht viel fanden.
Da war ein Schmied in
dem Dorf, baumlang und mit breitem Brustkasten, der war von ordentlicher
Natur, bei ihm mußte alles am gehörigen Platz sein, jedes Durcheinander
war ihm zuwider. Und weil ihm eben jetzt noch, zur späten Abendstunde,
in der Wohnstube eine Eisenstange stand, mit der er am Nachmittag ein widerspenstiges
Krautfaß geöffnet hatte, so ließ ihm das keine Ruhe, und
er mußte sie durchaus noch in die Werkstatt bringen, die neben seinem
Haus lag.
Er trat vor die Tür,
Mondschein war, der Schnee glänzte, und vor ihm war ein großer,
grauer Hund, dem sträubten sich die Nackenhaare vor dem unerwarteten
Mann. Das ist der vom Wirt, erkannte ihn der Schmied, und sagte: »fort
mit dir! «. Der ging aber nicht, knurrte nur tief aus der Brust heraus,
und wie Feuerkugeln glühten seine Augen, und nun setzte er gar zum
Sprunge an. Ja, freilich, sagte der Schmied, das wäre, und schlug
dem Hund die Stange unsanft über den Rücken. Darob stieß
das Tier einen erbärmlichen Schrei aus, unterließ es zu springen
und suchte, das Hinterteil nachschleppend, das Weite. Blut sieht man keins,
stellte der Schmied fest, und so bös wars auch nicht gemeint, und
sah zum kalten Mond hinauf, auch Sterne waren da, und trug die Eisenstange
in die Werkstatt und legte sich dann ins Federbett zu seiner Frau, da wars
warm.
Am andern Morgen machte
ihm sein Gewissen schwer zu schaffen, ob er nicht gestern zu gröblich
gehandelt habe gegen des Nachbarn Vieh. Er ging denn zu dem Wirt, und auf
den Staffeln vorm Wirtshaus saß der Hund und knurrte - der Schmied
hatte den Ton noch im Ohr. »Hast du noch nicht genug?« fragte
er versöhnlich und gab dem Hund einen Fußtritt. In der Wirtsstube
trank er keinen Schnaps, so locker saß ihm das Geld nicht an einem
gewöhnlichen Werktag, sondern sagte dem Wirt nur, daß er besser
solle Acht haben auf seinen herumstrolchenden Köter, und gestern sei
der bei Mond- und Sternenschein vor seiner Schmiede gesessen, ein Schreckbild
und greulich. »Was?« antwortete der Wirt gekränkt, »die
ganze Nacht lag er mir im Hausflur an der Kette und vor einer halben Stunde
erst ließ ich ihn los.« »Ich hätte gewettet, es
sei deiner gewesen«, versetzte der Schmied, seiner Sache nun nicht
mehr sicher, kraulte sich den Bart und ging heim.
Keine hundert Schritte
von seinem Haus entfernt, jenseits der Straße, auf freiem Feld, in
einer Mulde, fand er, was er suchte: Groß und grau lag der Hund im
Schnee und zeigte ihm die Zähne, obwohl das keinen Sinn mehr hatte,
tot wie er war. Der Schmied hatte ihm das Rückgrat zerschlagen! Es
war kein Hund, sah er jetzt, im hellen Taglicht, es war ein Wolf, und keiner
von den kleinsten. Eine Wölfin war es, und es wird niemand verwundern,
daß der Schmied die Mütze abnahm, ein Stoßgebet sprach
und sich bekreuzte.
Das Wolfsfell gab ein
schönes Erinnerungsstück, um das er viel beneidet wurde. Da sieht
man es wieder, sagten die Bauern, wer Glück hat, führt die Braut
heim, und sagten, wer es haben soll, der kriegt's, und ihm läuft es
noch zu, und warfen mit Sprichwörtern um sich, und so ein Lapp, sagten
sie, erschlägt einen Hund und gewinnt eine Wolfshaut! Ihren Kindern
aber schärften sie es streng ein, am Abend nicht mehr das Haus zu
verlassen.
Vor mehr als hundert Jahren
begab sich das Abenteuer des polnischen Schmieds. Viel, viel früher
begab sich,
wenn dem römischen Geschichtsschreiber
zu trauen ist, ein Ähnliches. Nördlich der Donau, im heutigen
bayerischen Gebiet, saßen germanische Völker, hochgewachsen,
kindhaften Gemüts und rotbärtig. Sie waren im Krieg gegen römische
Soldaten, und als die wieder einmal über den grünen Strom setzten,
die Barbaren zu züchtigen, so nannten sie es, hatte ihr Befehlshaber
einen prächtigen Einfall, wie die Natursöhne zu schrecken seien,
gleich zu Beginn In Käfigen, die auf Rädern liefen, Löwen
war sein Befehl. Die ließ man frei und hetzte sie mit Fackeln gegen
den Feind, und versprach sich viel Erfolgs davon. Die schrecklichen Leuen
trafen zuerst auf den Stamm der Quaden. Als diese die Tiere in Sprüngen
herankommen sahen, verwunderten sie sich sehr und sagten zueinander: »Nein,
schaut nur, die großen, gelben Hunde! Und wie dickköpfig!«
Und sie schlugen die vermeintlichen Hunde mit groben Keulen nieder. Dann
erst warfen sie sich auf die gepanzerten Römer mit Ungestüm.
Die Löwen waren gänzlich
ungepanzert gewesen.