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ANHANG
Band 4
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ZUR GESAMTAUSGABE
Mit der Herausgabe der kommentierten fünfbändigen Gesamtausgabe
der Werke von Georg Britting (in sechs Teilen) wurde Walter Schmitz im
Jahre 1984 beauftragt.
S. 314 ANHANG ZU DIESEM BAND [Band 4]
Die Texte des vorliegenden Bandes folgen dem 1957 erschienenen Band
2 Gedichte 1940-1951 (G II) der Gesamtausgabe der Nymphenburger Verlagshandlung.
S. 315.....................................................Zum ersten Gedicht DIE BEGEGNUNG [siehe auch Rezeptionsgeschichte] Acht Jahre nach dem Erscheinen des Gedichtbandes Rabe, Roß
und Hahn kam in Brittings neuemVerlag die Sammlung seiner Todsonette
heraus:
[...] Ich bin trotz der apokalyptischen Zeiten lyrisch sehr in Form. Prosa mag ich z.Zt. gar nicht schreiben. Aber in meinen Mappen häufen sich die Gedichte. Seit Erscheinen von Rabe, R. u. H. habe ich mehr Gedichte geschrieben, als in meinen bisherigen zwei Gedichtbüchern zusammen enthalten sind. Ich glaube, in der Spirale ein paar Windungen höher gestiegen zu sein. Ein Zyklus von 6o Sonetten, eine Art von Totentanz, wie zeitgemäß! soll, nach dem Krieg, wenn da noch Bücher erscheinen, als eigener Band erscheinen. Proben standen schon ein paarmal im Inneren Reich, auch im jetzigen Heft: lesen Sie es noch?Im nächsten Heft auch wieder, und ein großer Aufsatz über mich. Ich schreibe Ihnen da so viel von mir. Weiß nicht, wie das kommt, ich bin sonst gar nicht so geschwätzig.(Bei dem erwähnten Aufsatz handelt es sich um Lily Gädke: »Der bildzeigende Lyriker«, in: Das Innere Reich, Jg. 11, 1944/45, Heft 1, S. 42-50.) Alle 70 Sonette sind ganz der Totentanz-Thematik gewidmet. Nicht nur formal, auch inhaltlich stellen sie Brittings geschlossenste lyrische Produktion dar. Bode (S. 92-94) sieht in dieser Neigung, sich anstelle der Naturdichtung mit einer im Nachexpressionismus erarbeiteten eigenen Sprache nun über Jahre hin der strengen Form des Sonetts anzunehmen, eine Hinwendung Brittings zum neoklassizistischen Formenstrang der dreißiger Jahre. Weinheber war es, »von dem die Hauptimpulse zu den festeren Formen ausgingen«, durch ihn wurde das Sonett Mode, »in deren Sog fast die gesamte damalige Lyrik geriet«. Bode weist nach, daß es von den meisten namhaften Autoren benutzt wurde, u.a. von Andres, Bergengruen, Edschmid, Hagelstange, Haushofer, Hausmann, Holthusen bis zu Kaschnitz, Reinhold Schneider, Lange, Niebelschütz. Aber er grenzt auch Brittings Sonettenthematik vom »vordergründig Heroischen« bei Weinheber ab. Die Totentanz-Thematik steht natürlich in einer langen literarischen und künstlerischen Tradition aus dem Mittelalter, die Britting auch aufgreift: Da traten dann Kaiser, Bischof, Feldhauptmann, Reicher und Bettler aus der Ständeordnung in denTotentanz, und Gestalttypen wie Mutterjüngling, Mädchen, Braut, Frommer, Gefangener und Kranker wurden aufgenommen. (Bode, S. 93)S.316 Hofmannsthals Jedermann für die Salzburger Festspiele hatte im 20. Jahrhundert das Thema wieder populär gemacht. Nun empfand man in Krieg und Nachkrieg den Stoff als höchst zeitgemäß: Marie-Luise Kaschnitz veröffentlichte im gleichen Jahr wie Britting 1947 einen »szenischen Totentanz« auf einem trivialromantischen Schauplatz mit Brunnen und Kreuzweg, in den nur aus dem Hintergrund einige Ruinen der Gegenwart hereinblicken. Kasack schrieb an einem »Totentanz 1945«. Auch Nossack verfaßte ein größeres Gedicht »Ein Mädchen spricht zum Tode« und zeigt sich in einigen Sonetten und kürzeren Gedichten um das Todesthema vielleicht schon von Proben im Inneren Reich angeregt, das in der zweiten Kriegshälfte ja zu den wenigen noch erscheinenden Zeitschriften dieser Art gehörte und so auf Anfänger eine gewisse Wirkung üben konnte. (Bode, S. 92)Über Entstehungsdaten der Gedichte vergleiche umseitige handschriftliche Aufzeichnung von Britting: S.317 [Text der Grafik setzt sich hier fort.]
Seinem Freund Paul Alverdes, der mit seiner Familie nach Strobl am Wolfgangsee geflüchtet war, schildert Britting am 28. April 1944 die Zerstörungen, die der letzte Luftangriff auf München verursachte:Alverdes erwiderte im September 1944 aus Strobl: [...] Die Landschaften des Todes gefallen mir sehr, ich freue mich, sie in das letzte Heft zu stellen, und wenn es irgend mit dem Raum zu machen ist, Unter hohen Bäumen dazu.[ ...[ Nächste Woche reise ich zu Carossa, um ihm eigenhändig einen Beitrag für das nächste Heft zu entreißen, er tut es nicht billiger.[ ...] [Dazu: »Besuch in Rittsteig. Paul Alverdes über Hans Carossa«, Literatur in Bayern, Dezember 1993, Heft 34.]Dieses letzte Heft des Inneren Reiches konnte nicht mehr erscheinen, da bei einem der schwersten Luftangriffe auf München am 17. 12. 1944 die Verlagsdruckerei zerstört wurde. Alverdes notiert daraufhin in sein Tagebuch: Die Mitteilung vom Aufhören des Inneren Reiches im Zuge der totalen Kriegsführung erfüllt mich fast mit Genugtuung. Ich werde nun keinen Nachfolger haben; und es ist das Rechte, daß mit dem Erlöschen unseres öffentlichen Lebens auch die Zeitschrift aufhört zu erscheinen.Über die Geschichte dieser Zeitschrift vgl. Marbacher Magazin 26. 1983 und die Arbeiten von Horst Denkler (»Janusköpfig«. In: Die deutsche Literatur im dritten Reich. Stuttgart: Reclam, 1976, S. 382-405) und Marion Mallmann (Bonn: Bouvier 1978). Brittings Gesundheitszustand verschlechterte sich nach Kriegsende. Er
hatte der mangelhaften Ernährung wegen über 4o Pfund abgenommen,
fühlte sich matt und hatte Atembeschwerden. Als ihn sein Freund Kiefhaber
zum Arzt brachte, stellte dieser eine recht seltene Erkrankung fest: einen
Spontanpneumothorax am linken Lungenflügel. Dreimal stach man ihm
mit einer langen Nadel durch den Rücken, um den Lungenflügel,
der »wie ein Fahrradschlauch, dem man die Luft ausgelassen hat«
im Brustraum hing, wieder mit Luft zu füllen. Das gelang.
Sein spätererVerleger CurtVinz war unter den Geladenen:Den Aufforderungen zu Leseabenden aus eigenen Werken, wie sie damals von Kulturvereinen und NS-Organisationen ausgingen, unterzog Britting sich aus wirtschaftlichen Gründen. Bei einer Lesung in Miltenberg am Main lernte er das Ehepaar Georg-Britting-Stiftung und Fritz Weber kennen, mit dem er sich anfreundete. In den Sommerwochen der Jahre 1942, 1943 und 1944 war er deren Gast in Bürgstatt bei Miltenberg. Eine Reihe von Gedichten, die in die Bände Lob des Weines und Unter hohen Bäumen aufgenommen wurden, gehen auf Erlebnisse in Bürgstatt zurück; darunter »Das Jägerglück«, »Das Krähenhaus«, »Die Kürbisse«, »Der Mann in der Stadt sagt«. Bei den Nachkommen von Georg-Britting-Stiftung und Fritz Weber befindet sich ein Konvolut mit Briefen Brittings, das noch nicht erschlossen ist, ebenso eine Reihe von handschriftlichen Gedichtabschriften, die zum Teil das Entstehungsdatum einzelner Gedichte vermerken. Als Britting am 31. Oktober 1942 in Seesen im Harz las, war unter den Zuhörern der Studienrat Georg Jung aus Helmstedt, der spätere Brieffreund. Jung schrieb 1987 in seinen Erinnerungen an Seesen (Aufzeichnungen, S. 43) Es war eine jener Begegnungen, die nur zustande kommen, wenn sich vieles verbindet, um sie zu ermöglichen: sie scheinen zufällig zu sein und sind doch viel mehr durch das, was sie an dauerndem und sich ständig vermehrendem Gewinn stiften.Georg Jung wurde 1 901 in Braunschweig geboren, studierte in Freiburg und Marburg deutsche Philologie, und war von 1930 bis 1966 Studienrat und Oberstudienrat am Gymnasium (Julianum) in Helmstedt. Seit 1966 lebte er in Göttingen, wo er 1988 starb. In ihrer über zwanzigjährigen Beziehung sehen sich die Briefpartner nur noch dreimal. Die Verbindung bleibt ganz dem Literarischen verhaftet, Persönliches tritt zurück. Britting berichtet Jung von seinen Begegnungen mit berühmten Kollegen und Zeitgenossen die nach München kommen, von Ortega y Gasset bis Martin Heidegger, von seinen Zusammentreffen mit den Brüdern Ernst und Friedrich Georg Jünger oder seiner Lektüre Gottfried Benns: ungewöhnlich. bedeutend. schwierige essais. konzentrierter manchmal als [Ernst] Jünger. Er teilt mit, wie hinfällig Carossa auf der letzten Akademiesitzung gewirkt habe, oder lobt die körnige und dichte Prosa von Emil Strauß, die nicht leicht ihresgleichen habe. Vor allem wird in Brittings Briefen an Jung der Blick in die Werkstatt offengelegt. Dieser Band enthält kaum ein Gedicht, das nicht auf Jungs Schreibtisch gelegen hätte. Am dichtesten ist der briefliche Austausch in den Jahren 1946 bis 1958, dann nimmt Brittings Wortkargheit immer mehr zu. Auf Nachfragen Jungs, ob Britting ihm irgend etwas übelgenommen habe, schreibt ihm dieser am 13.8.1962: [...] von einem einschlafen unserer korrespondenz soll und kann keine rede sein. nur: ich bin körperlich und das heißt auch geistig nicht recht in ordnung ... und zu schreiben fällt mir schwer.[ ...] trotzdem schreibe ich hin und wieder etwas, vers und prosa, aber es aus der hand zu geben fehlt mir der mut - unfertig ist das meiste.Jungs Beileidsbrief zum Tode Brittings enthält den Satz: Er ist also wissend und seinem Wesen treu gestorben, in der Haltung, die das erste Todsonett bezeugt.Wenige Wochen später ordnete Jung chronologisch die Briefe und Postkarten Brittings und fand, daß es 430 Postsachen waren. Sie liegen heute in der Bayerischen Staatsbibliothek. Jungs Briefe an Britting sind verloren. Der Briefwechsel setzte zögernd ein. Jung nahm den 17. Februar 1943 zum Anlaß, Britting das erstemal zu schreiben und erhielt am 24. 2. 1943 knappe Antwort: Für Ihre Geburtstagswünsche danke ich Ihnen. Ihn, den Geburtstag verbrachte ich so halbwegs in Ihrer Nähe, in Wernigerode, wo ich zu lesen hatte. In Halberstadt, wo ich auch las, traf ich zufällig im Hotel einen Herrn, dessen Namen ich nicht weiß, den Erbauer des Hauses unseres Seesener Gastfreundes, und der schöne Abend dort wurde wieder lebendig!lm Jahr darauf (1944) bedankt Britting sich wieder auf einer kurzen Karte für Jungs Geburtstagswünsche und fügt hinzu: Es ist recht unruhig hier, im stillen Harz mags anders sein! Ich dichte so für mich hin, was soll ich anders tun auf diesem taumelnden Globus?Am 10. 12. 45 heißt es dann: Lieber Herr Jung, [...] Sie haben also das fürchterliche Gewitter überstanden. Ich auch.[ ...] Was jetzt werden wird? Vorläufig ist hier strenger Winter, und ich habe wenig zu heizen. Pg war ich nicht, hab nie daran gedacht einer zu werden, und bei der Literaturverfolgung, die ausgebrochen ist, ist das ja gut. Carossa sogar hat Schwierigkeiten. Meine Todsonette, ein zeitgemäßes Thema, sind ziemlich abgeschlossen. Ich stelle eben so 7o bis 8o davon zu einem Band zusammen. Das Schicksal des Langen-Müller-Verlages ist höchst ungewiß. Es arbeitet ja auch sonst noch fast kein Verlag. Abwarten heißt die Parole.Zu Jahresanfang 1946 berichtet Britting an Jung: [...] ein neu aufgetaner Münchner Verlag, Carl Hanser, erhielt gestern seine Lizenz. Er bringt vorläufig Klassikerauswahlen, darunter eine zweibändige Mörikeauswahl, von mir herausgegeben. D. h. nur der Mörike. [...] Was aus meinem Langen-Müller-Verlag wird, ist unent- schieden. Ich habe schon allerhand Angebote von andern Verlagen, die auch meine früheren Bücher übernehmen wollen, von Piper z.B. Aber ich warte ab. Und stelle die Tod-Sonette zusammen [...]. Ich wundere mich, daß es schon so viele sind.[ ...] Ich hoffe, ich komme nächstens einmal dazu, ein Dutzend neuer abzuschreiben, und sie Ihnen zu schicken. Sie haben, entnehme ich Ihren Briefen, ein so gutes Organ für Lyrik, daß ich gern möchte, daß Sie sie läsen. [...] Eine gegründete Teilnahme, wie die Ihrige, ist nicht häufig.Am 23.1.46 kommt Britting nochmals kurz auf die Mörikeausgabe zurück: [...] in die zweibändige Mörikeausgabe, die im Sommer kommen soll, hab ich wohl an die 4/5 aller seiner Gedichte aufnehmen können. Sonst fängt das literarische Leben langsam wieder an. Die ersten Einladungen zu Vorlesungen, es ist gespenstisch.[...]In seinem Brief vom 9. Mai 1946 bittet Britting (dem durch seine Hand- verletzung aus dem Ersten Weltkrieg das Umschalten an seiner Schreibmaschine Mühe macht): lieber herr jung, darf ich in meinen briefen an sie alles »kleinschreiben« wie ich es bei Manuskripten mache, und in briefen an meine freunde: nicht aus irgendeinem Prinzip, sondern weils besser von der hand geht, und ich mit meiner krummen hand nicht so oft umzuschalten brauche?Der Briefwechsel wird weiterhin vom Sonett-Thema beherrscht: Britting am 3.7.46: [...] sie schreiben mir viel über sonette. hehn lehnt die form für die deutsche Sprache ab. goethe selbst sagt ja vom sonett, ungefähr: ich bin gewohnt aus vollem holz zu schneiden, hier (beim sonett) müßte ich mitunter etwas leimen. [...] ich selber habe mich rechtschaffen mit der sonettform herumgeschlagen, und es ist wahr, es drängt zum dialektischen, zur rede und gegenrede, zum dialog, zur antithetischen zuspitzung [...] aber theorie hin, theorie her, die praxis ist schmiegsam, und bringt das theoretisch nicht mögliche doch zustande.Ein paarTage später: [...] natürlich sind holprigkeiten in der begegnung, und sie wären unschwer zu glätten, aber ob ichs soll? die glatte romanische sonettform wollte ich verrauhen. wie ein architekt kann ich die mauer ganz glatt machen, oder etwas uneben. nicht aus snobismus! ein gefühl sagt mir das. drum auch unreine reime, und metrische ungehobeltheiten - es klingelt sonst zu sehr! ein schwieriges thema.Am 27. 12.46 meldet Britting an Jung: gestern las ich die korrekturen der todsonette zu ende. das buch heißt nun doch »die begegnung« und langsam gewöhne ich mich an den etwas farblosen titel, der aber doch seine vorzüge hat.[Es folgen auf den Seiten 324 bis 335 die Drucknachweise und Anmerkungen.] |
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