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Drucknachweise und Anmerkungen 

Georg Jung 
zu diesem Gedicht


Lieferbare Ausgabe:

Georg Britting
Sämtliche Werke  

Taschenbuchausgabe
in 23 Bänden

Band 6 »Der unverstörte Kalender«
Seite 28
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Editionsnotiz zu dieser Ausgabe




Georg Britting
Sämtliche Werke 
»Der unverstörte Kalender«   Band 4   Seite 240

© Georg-Britting-Stiftung - Alle Rechte vorbehalten /   zu den Rechten:
    .

Nächtlich der Aal

Was weißt du vom Aal zu sagen?
Er ist in die Tiefe gebannt.
Am Tag will ers nicht wagen,
Doch nachts steigt er ans Land.

Er wandert die stillen Pfade,
Er schlüpft durchs taunasse Kraut,
Der Mond erweist ihm Gnade
Und seiner schwarzen Haut.

Ihn stechen nicht die Nesseln
Er geht durchs Bohnenfeld,
Durch Träume, durch die Räume
Geordneter Gartenwelt.

Er scheut nicht vor Lattengestellen,
Er wandert und ist nicht allein,
Es gehen mit ihm die Gesellen,
Die Schlangen, im Mondenschein.

Am Morgen glänzen die Fluren,
Die Tulpen, der Türkenbund,
Im Gras die silbernen Spuren
Führen zum Erlengrund.
 
 
   
 
 
Georg Jung

»Aufzeichnungen«
Eine Auswahl
.......................................................................................................Seite 69
"Über Gedichte Georg Brittings"

Unter den mehr als siebzig Gedichten in Georg Brittings neuem Gedichtbuch „Unter hohen Bäumen" sind nur wenige, in denen nicht das Tier erscheint; manchmal ist es der eigentliche Gegenstand, zuweilen aber ist es nicht in leibhafter Gegenwart da, sondern nur im Gleichnis, doch gerade das zeigt, wie sehr die Phantasie des Dichters mit dem Tier beschäftigt und von ihm erregt ist. Unwillkürlich denkt man zurück an die früheren Sammlungen seiner Gedichte und findet, daß es dort nicht anders ist: selbst in der „Begegnung", den Sonetten vom Tode, ist der Kreatur ein großer Raum gewährt, und nur im „Lob des Weines", dem menschlichsten seiner lyrischen Bücher, tritt sie merklich zurück. Britting hat das-von ihm freilich niemals unmittelbar ausgesprochene - Brudergefühl zu ihr, das Faust im „Monolog vor Wald und Höhle" offenbart, und es schließt die Tiere nicht aus, zu denen der Mensch im allgemeinen nur schwer ein Verhältnis findet. Ja, dieser Dichter liebt besonders die dem Menschen rätselhafte Kreatur, die ihm unheimliche, Tiere, in denen das uns Menschen Fremde, Unergründliche, ja Dämonisch der Natur überhaupt sichtbar wird. Raben und Krähen, die „Zaubertiere aus der alter Zeit", die Henkersvögel, die selbst im Frühling nicht singen, die Fische auch, die stum~ men, die nichts zum Schreien bringt, weder Lust noch Qual, und unter ihnen den Aal den sonderbaren Gesellen, der den Schlangen verbündet scheint, der gleichsam aus den Gesetz der Natur fällt, indem er ungleich seinen Brüdern zu Zeiten das ihnen ausschließ lich bestimmte Element verläßt und sich auf der Erde behagt.
Schon in dem großen Herbstgedicht, einem der stärksten Stücke der neuen Samm lung, erscheint der Aal: Wie hier aus der matten Stille des Spätherbsttages, den noch die späte Biene wohlig durchsummt, unversehens, mit bestürzender Gewalt der Aal sich dem ahnungslosen Fischdieb um den Arm schlingt und zugleich schwer aufs Herz legt und wir spüren, wie unheimlich im tiefsten die elementare Natur ist, das gibt der großen Ode ihre Schwere.
Es ist, als hätte diese kühne Strophe in der Phantasie Brittings weitergezeugt, in dem neuen Gedicht aber ist der Aal ganz gegenwärtig, in der menschenfernen Einsamkeit seines Wesens, dem sich allein die Schlange gesellt. Wir begleiten ihn auf seiner rastlosen Wanderung durch den mondbeglänzten Garten, und dieser Einbruch der wilden Natur in die Ordnung des Gartens, woraus der Mensch das Wilde, Bedrohende der Natur zu verbannen sucht, dieses Gegenspiel von Tiefe und Oberfläche, von Nacht und Tag, ist es sicherlich, was zu gestalten den Dichter verlockt hat. Nächtlich ist der schöne Gesang: der dunkle, voll klingende Vokal, den in unserer Sprache die Nacht hat, so gut wie Schlange und Aal und die Farbe seiner Haut, aber auch die Gnade, die das Geschöpf der Tiefe beglänzt, beherrscht ihn, bis in der letzten Strophe, die uns zum Ausgangsort und zum endlichen Ziel der nächtlichen Wanderung führt, der Vokal des Urhaften, des mütterlichen Grundes seinen Platz einnimmt und die Versmusik bestimmt.
Einen Gesang nannten wir das Gedicht: Ist es nicht, als ob in ihm in verwandelter, erdhafterer Gestalt der Klang romantischer Naturgesänge, etwa Eichendorffs, wieder vernehmlich würde? Aber auch die Regelmäßigkeit und Gebundenheit der Liedform erlaubt bei diesem Lyriker eine leichte Störung: Genau in der Mitte des Gedichtes bleibt in der dritten Zeile der Strophe der Reim, auf den unser Ohr unwillkürlich wartet, aus; statt seiner hört es einen Binnenreim, und er gibt der Zeile eine merkliche Schwere, so daß der rhythmische Fluß für das feinere Ohr ein wenig stockt, um dann desto gelöster weiter zu fließen; es ist wie ein leises Atemholen, ein leichtes sinnendes Verweilen, eine Unregelmäßigkeit der Form also, die auch einen inhaltlichen Sinn hat und das Gedicht bereichert, ein scheinbarer Makel nur.
Ein Gesang wie dieser klingt lange nach, und am Ende mag einem aufgehen, daß er unbeschadet seiner sinnlichen, realistischen Kraft eine sinnbildliche Tiefe hat, indem der Einbruch das Aals in die geordnete Gartenwelt eine Art dichterisch-mythische Form ist für ein Urphänomen des Lebens schlechthin, das das menschliche nicht ausschließt. 
(Anfang Juni 1951)

© Georg Jung

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